Aksese oder was?

 

 

 

Wie einzigartig wunderbar!

Seit ich mich aus allerhand Verstrickungen gelöst habe, fließen in mich Einsichten, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Es geschieht. Einfach so. Inmitten all dem was ich tue und nicht tue. Keine Übungen sind dafür nötig, keine Gebete, keine Rituale, oder Praktiken. Es ist vielmehr so, dass die Abwesenheit von Beschäftigung und Geschäftigkeit Raum schafft, dass das Leben durch mich strömt.

 

Was da geschieht, ist insofern faszinierend, weil es sich den Worten entzieht. Ich würde gerne darüber schreiben, aber sobald ich versuche, das, was stattfindet, in Worte zu fassen, löst „es“ sich auf. Ich hab mich nie gescheut, mich diesbezüglich zum Narren zu machen, also setz ich mich auch diesmal dem allgemeinen Gelächter aus, wenn ich dennoch versuche, darüber zu schreiben...

 

Es könnte „spirituell“ genannt werden - hat aber nichts mit dem esoterischen Quatsch zu tun, der allgemein kursiert. Warum? Weil ich auf Messers Schneide balanciere. Dies ist kein Wochenend-Seminar. Weil ich am äußersten Rand des Abgrunds wandere. Ich habe noch ein paar letzte Reste „Zivilisation“, die mich daran hindern völlig ins Undenkbare zu stürzen. Ein paar letzte Euro, ein bisschen Musik, ein bisschen Illusion von Austausch übers Internet. Zusammengehalten, von einem waghalsigen Experiment, das „Alles oder Nichts“ heißt. In dem Wissen, dass die Gefahr, des „Nichts“, die über mir schwebt, mächtig viel beinhalten wird – sofern das mein Weg sein soll.

 

Ich glaube, ich bin ganz besonders beschenkt, gerade. Ich habe einen Freiraum, in dem ich mich keinen Spielchen von Zweibeiner-Egos ausliefere, oder auch nur darauf reagieren müsste. In diesem Frei-Raum, erlebe ich, dass die Lektionen spiritueller Lehrer keine spirituellen Lehrer brauchen, sondern die Bereitschaft, sich wirklich dem Leben hinzugeben.

 

„Das Leben“ ist allerdings nicht, was uns Filme verkaufen wollen, was Leben sei. Es ist ein sonderbares Paradox. Ich bin so weit von allem entfernt, was als „Leben“ verkauft wird, und dennoch fühle ich mich tiefer im Leben, als je zuvor.

 

Ich beobachte einigermaßen erstaunt, wie Hinweise und Worte von Lehrern plötzlich mehr Sinn ergeben. Weil sie nicht nur „verstanden“ werden, sondern gelebt werden. Weil sie mich leben. Da ist nicht mehr diese Idee „ich“ würde etwas machen, sondern die Aufforderung, geschehen zu lassen. Was nicht gleichbedeutend mit Passivität ist, sondern Hingabe an das, was sein will.

 

Was ist das in meinem Fall?

 

Ich glaubte lange, meine Bestimmung wäre, Künstler zu sein.

 

Gerade fühlt es sich so an, als würde mein Sein dadurch definiert, was ich alles nicht  bin.

 

Darüber zu schreiben, schafft natürlich Raum, für allerhand Missverständnis und Interpretation. Es heißt nicht, dass ich etwas suche. Ja, ich habe eine gewisse, natürliche Neugier in mir, auf was das alles hinauslaufen mag. Ich will es wissen. Und ich will nichts tun, was mich von dieser Erfahrung abbringen könnte - weil ich mich aus Angst in eine Verstrickung begebe, oder der Geldillusion zum Opfer fallen könnte. Es ist als würden alte, fremde Ideen in mir, mich in alte Gewohnheiten zurückziehen wollen. Die aber nicht sind, was ist. Es scheinen Prüfungen des Lebens zu sein, ob ich wirklich verinnerlicht habe, was Glaube bedeutet. Ob ich wirklich bereit bin, die Geschenke anzunehmen.

 

So wie mein Essen sehr einfach geworden ist, ist auch mein Leben sehr einfach geworden. Ich brauche und will sie nicht mehr, die süßen Versuchungen. Es spielt keine Rolle oder das Süßigkeiten, Informationsnahrung, Lustnahrung, oder Wichtigkeit sein mag. All das will sich täglich in mein Leben schummeln. Täglich wird deutlicher, dass all das nicht mein Weg ist. Dass ich all das ausgiebig gekostet habe, und es selten die Erfüllung gab, die ich mir gewünscht hatte. Oder dass ich dafür Preise zu zahlen hatte, die ich heute nicht mehr bereit bin zu zahlen. Stattdessen finde ich gerade Erfüllung in der Idee der Enthaltsamkeit und darin, meine Askese noch etwas auszuweiten.

 

Wenn ich sehe, was Asketen überall auf der Welt mit der Kraft ihres Glaubens bewirken, dann fühlt es sich an, als wäre da noch ein weiter, riesiger Raum, den ich entdecken darf. Und wieso? Enthaltsamkeit klang bis vor kurzem sehr unattraktiv für mich.

 

Ich möchte glauben, dass das Leben es gut mit mir meint, und auf meiner Seite ist. Ich bin nicht in die Welt der süßen Verlockungen getaucht, weil ich mir mein Leben angenehm gestalten wollte. Ich tauchte in den Hedonismus, weil mir das die schwierigste Aufgabe schien, in einer Welt, die prüde, dogmatisch, religiös begrenzt, und freudlos schien. Ich wollte mich meiner Wahrheit annähern, und sowohl Sex, als auch Drogen waren für eine Zeit hilfreiche Lehrer. Es war Abenteuer, Rebellion und Befriedigung in einem. Die Ablehnung, die ich außerhalb der kreise Gleichgesinnter erfuhr, bestätigte meine Entscheidung für viele Jahre.

 

Das Leben hat sich geändert.

 

Was einst schwierig zu finden war, wird einem heute nachgeworfen. Die schönsten Spiele sind im Namen von Geld und Eitelkeit zu Ablenkungen verkommen. Es spiel keine Rolle, ob Sex oder Spiritualität drauf steht. Alles der gleiche oberflächliche Mist geworden. Nur eine Stelle ist noch nicht vermarktet worden, weil sie sich der Vermarktung entzieht:

 

Enthaltsamkeit. Askese. Stille. Einfachheit.

 

Es ist der unpopuläre Gegenentwurf einer dauergeilen Wunscherfüllungs-Konsumwelt. Es fühlt sich für mich richtig an. Es fühlt sich an, als befände ich mich in einer Neuprogrammierung meines Seins.

 

So, wie es ganz schön dauern kann, Programme auf einen neuen Computer zu laden, staune ich über die Langsamkeit, mit der mein Lernen abläuft. Gleichzeitig bin ich aufgefordert zu akzeptieren und zu vertrauen, dass alles genau so schnell geschieht, wie es für mich richtig und angemessen ist. Eben keine Abkürzungen, keine Tricks. Es ist genau richtig. Sollte mich das Leben in den Abgrund schubsen, wird das genau richtig sein. Wird das Leben mich weiter mit allem versorgen, was gerade zu meinem Leben gehört, wird das genau richtig sein. Was nicht in meinem Leben ist, soll nicht in meinem Leben sein - egal was mein geschäftiger Geist sich ausmalen will.

 

Also übe ich mich weiter in Dankbarkeit zu genießen was ist, und offen zu bleiben, was da kommen mag. Weiter zu machen, was ich mache, solang, bis entweder etwas Neues von mir gewünscht ist, oder ich etwas Neues finde, wie ich mich verschenken kann. All das ist durchtränkt, von einer fantastischen Feierlichkeit. Das, was Zweibeiner gerne mit viel Lärm und Effekten simulieren wollen, erhalte ich täglich vom Leben in grandioser Einfachheit. Und wie Lao Tse schon richtig erkannt hatte: ich muss dafür nicht mal das Haus verlassen. Die ganze Welt strömt durch mein Haus.

 

Und bitte, bitte, bitte, liebes Lesewesen, versteh mich richtig. Ich schreibe diese Worte nicht um anzugeben, mit meiner Großartigkeit zu glänzen, dich neidisch zu machen, oder um dich zu belehren. Dies ist meine persönliche Reflexion zu dem, was ich beobachte. Um es mir tiefer zu verdeutlichen. Es ist nicht gemacht, damit jemand mich vergleicht oder kritisiert, sondern im besten Fall, sei es dir Erinnerung oder Wegweiser, wenn du denn willst. Ich will dir hiermit nichts verkaufen, und allein das, dürfte dich schon zum Denken anregen. Noch lieber ist mir, wenn du fühlst, dass nicht „ich“ dies schreibe, sondern nur ein Botschafter bin. So wie ich seit jeher Botschafter war, ungeachtet all meiner eitlen, oder bioüberlebensbedingten Verstrickungen. Wenn dein Herz die Botschaft vernimmt, gut, wenn nicht, dann ein anders Mal.

 

Das Leben ist mit dir und mir.



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