Abfall (21.7.2018)

 

Eine der Begleiterscheinungen meiner Entscheidung, ohne Strom und Internet zu leben, ist, dass allerhand von mir abfällt. Ich muss dafür nichts tun. Es geschieht von selbst.

 

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich mehrere Filme am Tag ansah. Oder tuasende Musikstücke aus dem Netz zog, um ein paar brauchbare Songs zu finden. Oder ich verbrachte Stunden um Stunden vor dem Computer-Bildschirm und im Internet, weil immer etwas rief. Etwas das gelesen und in mich genommen werden wollte. Was mir völlig natürlich erschien, weil ich es liebte, mich mit fremden Ideen zu füttern, und inspirieren zu lassen. Nur eine entscheidende Frage stellte sich mir nie: Was hatte all das mit mir zu tun?

 

Dass sich diese Frage überhaupt nicht stellte, hatte mit meinen Prägungen und Schul-Lektionen zu tun. Schule erklärte ihre Exisitenzberechtigung darüber, dass Wissen gut sei. Wissen wäre Macht. Man konnte eigentlich nie genug wissen. Wohl aber der Peinlichkeit überführt werden, „dumm“ zu sein... Die Schule lehrte, wie man Dinge lernt und behählt. Nicht jedoch, dieses Wissen in Frage zu stellen, oder wie man wieder etwas aus dem System löscht. Oder wie die Zen-Spinner sagen: Wie man wieder ein leeres Gefäß wird.

 

So war mein ganzes Leben durchtränkt davon, Wissen und Informationen anzuhäufen, und Geschichten in mich zu nehmen. Ich empfand das als Bereicherung. Bis die digitale Informationsflut alles beliebig zu machen schien. Plötzlich war die Bedeutung, die ich bislang in allen kreativen Ausdrucksformen hatte finden können, nichts besonderes mehr. Die totale Verfügbarkeit erzeugte ebenso totale Banalität.

 

Ich bin nun gerade ein paar Wochen ohne Strom und Internet, und ich fühle mich befreit vom Info- und Entertainment-Smog. Wenn ich in die Stadt fahre, um im Café Mails zu beantworten, fühle ich kein Verlangen mehr, mich mit irgendwas voll zu stopfen. Vor ein paar Monaten hatte sich bereits angekündigt, dass mich das gewichtige Treiben der Zweibeiner nichts mehr anging. Stattdessen stellst sich eine Beruhigung meines geschäftigen Geistes ein. Was ich zu wissen habe, lehrt mich die Natur. Auf mysteriöse Weise, in einer wortlosen Sprache.

 

Was mich zur wohl nächsten großen Herausforderung meines Lebens bringt.

Schweigen.

 

Wird auch die Sprache von mir abfallen? Und mit ihr, meine Bedürfnis, mich auszudrücken?