Experiment ausgeliefert sein – the real deal

 

Wer dies und das von mir gelesen hat, weiß vielleicht, dass ich nie ein Freund von Kampfgläubigkeit oder Kampfansagen war. Die Idee dahinter war denkbar einfach. Wenn ich das Leben nicht tanzen oder tanzend gestalten kann, ist ohnehin alles ein ziemlicher quatsch. Was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste: diese Idee wurde aus der kuscheligen Sicherheit eines Komfort-Heimes gemacht. Wo ich mit Strom, fließend Wasser für warme Duschen, Internet, und anderem Schnick Schnack beschenkt war. Nicht dass ich darauf besonderen Wert gelegt hätte. Nein. Ich war mir dessen einfach kaum bewusst, weil es so selbstverständlich war. Ich hatte die Notzeiten meiner Eltern im 2. Weltkrieg nicht erlebt und kannte sie nur aus ihren Schilderungen. Weil sie es erlebt und erlitten hatten, setzten sie auch alles daran, mit diese Erfahrung zu ersparen.

 

Nun, als Kerlchen mit weißen Haaren im Bart, dünkt mir, dass ich ein ziemlich verwöhntes Kind war. Nicht verwöhnt in einem übertriebenen Sinn. Davor hat mich das Leben bewahrt, weil meine Eltern nie all zu viel Geld zur Verfügung hatten. Doch verwöhnt genug, dass ich zu glauben schien, auf bestimmte Standards irgendein Anrecht zu haben. Es darf gelacht werden.

 

In mancher meiner tausenden, geschriebenen Selbstanalysen hatte sich mir bereits der Verdacht aufgedrängt, dass die Liebe meiner Eltern zwar schön, doch eventuell nicht ganz so hilfreich gewesen ist, wie es vielleicht echte Krisen und Herausforderungen gewesen wären. Einen optimalen, einzig richtigen Weg scheint es nicht zu geben. Da bekommt man nun Liebe, und das hat auch einen Rattenschwanz...

 

In meinem Fall zeigt sich das in einer unendlich krassen Erfahrung inmitten von dem, was ich mir als „Naturschönheit“ zusammengereimt hatte. Merke: wenn du Natur genießen kannst, womöglich mit einem gekühlten Softdrink in der Hand, bedeutet das mit ziemlicher Sicherheit, dass jemand vor dir die Steine, Ecken, Kanten, und fiesen Aspekte der Natur für dich beseitigt hat.

 

Was wir – und bis vor kurzem auch ich – als „Natur“ bezeichnen, ist überwiegend hübsch gemachte, domestizierte Natur. Weich gemachte Natur, für Schnuffis des 21sten Jahrhunderts. Wo wir aus bequemen Sesseln oder Liegestühlen heraus, kritisieren wenn jemand die Umwelt zerstört oder Tiere quält. Die umgekehrte Variante, dass wir von der Natur gequält werden, kannte ich nur dann und wann, wenn ich mit meiner Ex an einen See fuhr, wo niemand die Natur gezähmt hatte. Und da gefiel es uns dann nicht gut, und wir wählten für den nächsten Ausflug ein besseres Ziel.

 

Das „bessere Ziel“ könnte als generelle Vorgehensweise der Zweibeiner im 21sten Jahrhundert gesehen werden. Die „Wegklick“-Mentalität, die alles ablehnt, was nicht in den Kram passt. Eben auch Orte oder Naturbegebenheiten. Aber immer schön den Müll trennen...

 

Ich werde gerade seit 20 Tagen (was für eine lächerlich kurze Zeit!) in jeder erdenklichen Art von der Natur durchgefickt – und ich meine das nicht romantisch-geil. Die angestrebte Stille erlebte ich bisher in ein paar wundersamen Minuten, wenn gerade mal keins der Millionen Wesen raschelte, zirpte, schrie, oder irgendwo krachend einen Weg bahnte. Millionen Wesen, die vor mir hier waren, und sich einen Scheiß um meine eso-öko-veganen Ideen kümmern. Im besten Fall bin ich noch Nahrungsquelle für sie (wie für die vielen Vampir-Insekten), doch sonst hab ich nicht viel zu melden. Und das macht mich ziemlich stinkig.

 

Die Wahrheit, in die ich mich freiwillig begeben habe, sieht so aus:

Irgendjemand hat hier mal ein Haus hingestellt, und gute Vorarbeit geleistet. Doch irgendjemand hat dieses Haus auch einmal aus gutem Grund verlassen. Womöglich aus oben aufgeführten Gründen? Ich hatte das Haus gewünscht, das niemand sonst haben wollte. Und es war die einzig richtige Entscheidung für mich. Plötzlich wird deutlich, dass ich praktisch mein ganzes Leben immer eine Ausrede parat hatte. Immer eine Fluchttür für mich offen gehalten hatte. Und wurde es zu hart, dann fand ich kreativ stets gute Gründe, warum das für mich nicht gedacht war. Anders sieht es nun hier aus. Dieses Experiment des Ausgeliefert-Seins hatte ich selbst gewählt. Bewusst gewünscht. Dass es nun ganz anders ist, als geträumt und fantasiert, bestärkt mich nur darin dieses mal keine Ausrede gelten zu lassen. Ich muss mir also das Recht verdienen, hier zu sein? So sei es.

 

Momentan schlagen so viele Herausforderungen auf mich ein, dass meine meditativen Übungen zur minimalen Restübung des Tages verkommen sind. Weil alles andere neu erlernt und organisiert werden will. Wovon ich schreibe? Zum Beispiel wie ich mein Geschirr spüle, ohne mit irgendwelchen Essensresten die biologische Abfallkolonne, genannt „Ameisen“, anzulocken. Klingt ganz einfach, nicht wahr? Nicht aber, wenn es keine Ausnahmen gibt. Nicht, wenn Ausreden und unter den Teppich kehren, von der Natur verboten wurden. Und das ist das harmloseste Beispiel.

 

Es wird Zeit einer simplen Wahrheit im Sinne meiner angestrebten Einfachheit auszusprechen. Ich bin ein verwöhntes Kind der Nachkriegsgeneration, und habe mein Leben lang ganz clevere Methoden gefunden, mich durchzuschummeln. Die Natur ist jedoch nicht Berlin und erlaubt das nicht. Und sie ist auch nicht das, was von den Öko-Schnuckis verkauft wurde. Keine liebe Streichel-Zoo-Natur. Sie beißt und sticht, und ein Minimum an Raum zu gewinnen, wo mal nicht gepiekst wird, ist mit krassem Energieaufwand verbunden. Weiterhin wird mich niemand dazu bringen an dieser Stelle von Kampf zu sprechen. Kampf- fürn Arsch! Was hier tatsächlich abläuft ist eine Aneinanderreihung von Möglichkeiten, die ich zu nutzen lerne. Und mit denen ich mich noch schwer tue, weil mir bis vor kurzem niemand gezeigt hatte, wie es geht. Nun zeigt es mir die Natur, und Leute, lasst euch sagen: sie ist eine toughe Personaltrainerin.

 

 

Fortsetzung folgt...





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