Angst und Sicherheit

 

Ich komm fast nicht drum herum, in einen Lachkrampf der Verzweiflung auszubrechen.

 

Wie viele Jahre Übung habe ich nun hinter mir? Wie viele Akte des Loslassen vollzogen? Wie viele Prüfungen mal weniger, mal mehr glorreich bestanden? Wozu das alles? Um am Punkt der Erfüllung meiner Träume, besonders fies ins Scheitern gestoßen zu werden?

 

Damit wir uns einigermaßen verstehen: es ist nicht meine Intention zu jammern oder zu klagen. Ich habe diesen Weg freiwillig, und bei mehr oder weniger klarem Verstand gewählt. Meine Intention war die Entdeckung der menschenmöglichen Freiheit, und es ist schon erstaunlich, wie weit ich es gebracht habe, ohne einen Guru, der für sich beanspruchen dürfte, mein Meister und Wegweiser gewesen zu sein. Ja, Eigen-Willig wollte ich sein. Selbst-Bestimmt. Frei.

 

Wie lang hatte ich davon geträumt, in die Natur zu gehen. Ein „eigenes“ Häuschen zu haben – und „eigen“ für unbestimmte Zeit gemietet, also geborgt, ist ganz und gar okay für mich. Wo doch Besitz verpflichtet, und meist die gierigen Krallen anderer Zweibeiner anlockt. Und warm sollte es sein, und Himmel auch, Zypern ist ganz sicher warm! Hier bin ich nun also, bereit meine Übungen in Sachen AllEinSein, Meditation, und Stille, voran zu treiben. Und siehe da:

 

Neues Spiel. Nichts geht. Ich meine, dafür, dass nichts geht, geht noch eine ganze Menge. Bloß nicht so, wie es noch bis eben üblich war.

 

Seit meiner Ankunft auf Zypern habe ich zweifellos die großartigsten Bilder meines Lebens bisher gemalt. Werte um ungefähr 20000.-€ wollen zu sehenden Herzen. Die scheinen nur genau wie ich gerade so mit ihren Prüfungen beschäftigt, dass sie einfach nicht erkennen, was zu ihnen will. Doch das ist überhaupt nicht das Thema. Geld kommt und geht. Ebbe und Flut. Unerklärlich. Willkürliche Zyklen, die ich bis heute nicht verstehe, und die, die vorgeben, zu wissen wie der Hase läuft, haben sich einfach nur einen Sicherheitspuffer gebastelt. Und hier bin ich beim eigentlichen Thema: Sicherheit.

 

In der Nähe von meinem doch noch recht lauten Dörfchen, in meinem letzten Haus, gab es etwas, dessen ich mir überhaupt nicht bewusst war. Sicherheit. Ich war relativ AllEin, und gleichzeitig waren ausreichend Zweibeiner in Ruf-Nähe. Ich war mir überhaupt nicht darüber bewusst, dass das eine Rolle spielte, bis ich neulich mein Handy mit der Hose mitgewaschen hatte. Da merkte ich einigermaßen überrascht und fast schockiert, dass in meinem neuen Häuschen in der Wildnis das Handy meine Sicherheits-Simulation geworden war. Nachdem ich neulich, probehalber, um mal zu sehen was passiert, auf eine giftige Schlange getreten war (die mich gnädigerweise nicht gebissen hat, ja wo gibt’s denn sowas?), wurde das Thema Leben und Tod nochmal neu beleuchtet. Schon wieder!, stöhnte der Beobachter in mir auf.

 

Bis eben hatte ich gedacht, alles wäre halb so wild. War ganz eitel selbstverliebt und selbstgefällig zufrieden mit meinen Erfolgen in Sachen Meditation und AllEinSein - und nun sehe ich, dass ich das nur dachte, weil ich die Illusion von Sicherheit als Rückendeckung spürte.

 

Damit hatte ich nicht gerechnet.

 

Ich hatte oft erlebt, wie alle möglichen Zweibeiner sich ordentlich was vormachten, über ihren Mut, und ihre Gelassenheit, mit viel Schotter auf dem Konto, oder nem Ehering am Finger, oder als Teil einer wie auch immer gearteten Gruppe. Nicht dass ich mir einen hochgeholt hätte Angesichts der Tatsache, dass ich weitgehend ohne Netz und doppelten Boden ins Leben sprang. Es war halt mein Fokus, dass ich authentisch sein wollte. Endlich in meiner Wahrheit ankommen wollte. Irgendwann. Eines Tages...

Ich sah, was andere Zweibeiner für ihre cleveren Tricks zu zahlen hatten, und war nicht bereit, diese Kosten aufzubringen. Da reibt mir das Leben unter die Nase, dass ich auch Tricks benutze, und mir mindestens so unklar über die Preise dafür bin, wie alle anderen Zweibeiner. Echt jetzt. Wie viel Punktabzug gibt es in der Karma-Wertung, wenn man AllEinSein übt, und ein Handy in der Schublade hat..?

 

Zwei Jahre habe ich relatives AllEinSein genossen – mit Handy, Internet, Strom, und einem nahen Dorf als Sicherheit und Rückendeckung. Wie anders das Spiel aussieht, ohne Strom, ohne Dorf, und einen Augenblick ohne Handy - das schleunigst neu angeschafft wurde, weil ich mir vor Angst fast in die Hose pisste.

 

Soviel also zum Thema Mut...

 

Und nun stellt sich einmal mehr die Frage, wann eigentlich mal genug ist. Wie viel Freiheit reicht mir? Was bin ich bereit im Namen der Freiheit in Kauf zu nehmen? Soviel ist schon klar: Teil des Preises für meine Freiheit: meinen Raum mit fiesen Mini-Mücken zu teilen. Nicht die Dinger, die im Rest Europas bekannt sind. Ganz winzige, unscheinbare Mikro-Monster, die selbst durch die Maschen herkömmliche Moskitonetze schlüpfen. Okay... Wenn das der Deal ist...

 

Oder mit dem Rad meinen Einkauf den Berg hoch radeln. Okay... Hardcore, aber bitte... Wenn das der Deal ist...

 

Aber wie ist das mit dem Geld? Dem Strom? Dem Handy? Dem Internet und den wenigen verbliebenen Freunden, mit denen ich virtuell in Kontakt bleiben kann? Was ist damit? Ist es wirklich die Aufgabe, auch das aufzugeben, oder bin ich gerade nur massiv durchgeschüttelt, weil das Leben in der Quasi-Wildnis so viel wilder ist, als sich ein Träumer hatte ausmalen können?

 

Und verdammt, was ist daran bitte wild, verglichen mit irgendwelchen Pionieren, die damals allein in die Berge oder in den Dschungel aufbrachen? Dass es mit meinem Mut nun doch nicht so weit her ist, das hab ich schon mal kapiert. Dass ich bei aller Freiheitsliebe auch ein Restchen Sicherheit haben will, aha, wer hätte das gedacht, check, Haken drunter, kurz gestaunt und Kopf geschüttelt, aber gut, ist halt so.

 

Aber auf was zum Henker läuft das nun hinaus? Ist das nun wirklich bloß ein Trainingsprogramm um mir die letzten Elfchen auszutreiben, oder soll ich wirklich so richtig ins Scheitern gestoßen werden.

 

Komisch eigentlich, weil letztere Option will mir so überhaupt nicht gefallen, diesmal...

 

 

Fortsetzung folgt...