Der Teufel im Detail

 

Ein kleines, und erwähnenswertes Detail meines Natur-Eremiten-Experiments, sind die weniger populären Mitbewohner eben dieser Natur. Eigentlich ist es doch ein klein wenig verrückt, dass weder in Filmen, noch Reiseprospekten, Ameisen, Stechfliegen, und Mücken erwähnt werden. Obwohl dass doch einen beachtlichen Dämpfer des Wohlgefühls darstellen kann. Überhaupt werden in beidseitigem Einverständnis, das der Verkäufer und der Konsumenten, gerne die weniger süßen Begleiterscheinungen ausgeblendet.

 

Wie zum Beispiel die Feuerquallen vor Ibiza (als ich da war, 2006 – 2008, war es fast unmöglich ins Meer zu gehen, doch in der Werbung war davon kein Wort zu finden), die Moskitoplage in Thailand und anderen asiatischen Traum-Zielen, oder eben, dass die eigentliche Herausforderung des Zen-Mönchs in seiner Einsiedelei, weniger die Einsamkeit ist, sondern von unten bis oben, vorne wie hinten, zerstochen, gebissen, und angebohrt zu werden.

 

Ich habe meine buddhistischen Inspirationsfilme mehrmals gesehen - und Mücken kamen als Nebendarsteller nicht vor... Komisch eigentlich. Eben diese kleinen spirituellen Helfer sind der wahre Maßstab für wirklich erhabene Gelassenheit.

 

Gestern, in das Jucken der Bisse und Bohrstellen fühlend, erinnerte ich mich an das soooo romantische Haus im See, aus dem Film „Frühling, Sommer, Herbst, Winter“. Ja, leck mich einer, das muss alljährlich die ultimative Mückenfolter sein! Und dann schlief der erhabene Mönch ohne Moskitonetz? Wie glaubhaft ist das?

 

Gestern weihte ich mein kleines Off-Grid-Wintergarten-Atelier in meinem Far-Out-Natur-Eremiten-Reservat ein, und fühlte mich so richtig an Renoirs Alters-Ruhesitz und Atelier erinnert. Schön draußen, in der Natur - und bestimmt umgeben von Moskitos, Ameisen, und anderen bissigen Blutsaugern. Was ein hübsches, blumiges Landschaftsgemälde nicht wirklich vermittelt.

 

Ich möchte nicht, dass eines Tages Legenden über Vigor Calma, seinen Lebensweg, und sein erhabenes Künstler-Eremiten-Dasein gesponnen werden. Nicht ohne ausdrückliche Erwähnung meiner kosmischen Prüfer in Form von sechsbeinigen Fieslingen. Fürs Protokoll: FUCK THEM!

Hier endet sowohl meine Natur(tier)liebe, als auch meine pseudobuddhistische Om-Gelassenheit. Fuck them all! Vegan hin oder her: unerlaubtes Eindringen in meinen Lebensraum oder meine Haut wird unnachsichtig mit dem Tod bestraft.

 

Wenn ich sie denn erwischen würde, diese Anschleichkünstler...

 

Ich habe in meiner ersten Woche außerhalb des lieben Zweibeiner-Luxus, reichlich Gelegenheit bekommen, nachzudenken, was es mit diesen Prüfern auf sich hat. Abgesehen davon, dass sie mich einfach als Nahrungsquelle sehen, und sich einen Scheiß um meine meditativen Übungen kümmern, sind sie außerdem die Erinnerung daran, dass wir Zweibeiner, auch ich Zweibeiner, in all unserer eitlen, selbstgefälligen Wichserei ob der eigenen Größe, von kleinen, meist unsichtbaren Erd(mit)bewohnern ausgebremst werden.

 

Oder anders gesagt:

 

Egal wie paradiesisch etwas erscheinen mag – das Leben wird dafür sorgen, dass auch dort eine Prüfung und Lektion wartet. Für die, die es weniger überraschen sollte – mich überraschte es doch sehr, dass mein romantisches Paradies durch die sechsbeinige Mehrheit ent-romantisiert wird.

 

 

...und die stacheligen Pflanzenfreunden habe ich noch überhaupt nicht erwähnt.... Kommt noch...