Verdammte Subjektivität

 

Einer der positiveren Aspekte meines Eremiten-Spieles, ist die Auflösung aller Fremdkonstrukte, Fremdansichten und Fremdmeinungen. Es scheint in der Natur der zweibeinigen Minderheit zu liegen, dass sie – sobald jemand drei Anhänger gefunden hat – aus allem eine Regel oder Gesetzmäßigkeit ableiten wollen. Selbst weise Hirnwichser sind davor nicht sicher. Auf irgendeinen subtilen Schleichweg im Synapsenwirrwar, findet der Irrtum stets Einlass. Außer, man hat sich von all dem abgeschnitten, und brutzelt ganz AllEin in der Pfanne des Lebens vor sich hin.

 

Was sich dann zeigt, ist amüsanter weise jenseits von Worten. Amüsant deshalb, weil sich euer werter Narr und Schreiberling wiedermal nicht scheut, Worte über etwas zu verlieren, was nicht in Worte gefasst werden kann. Vielleicht liegt das daran, dass ich mir eine Nation legendärer Hirnwichser als Ort meiner Geburt und meines Heranwachsens ausgesucht hatte. Wer könnte das schon sagen... Zumindest scheint es ein ausgeprägtes Philosophen-Gen in mir zu geben, das sich standhaft weigert, mal keine Erklärungen finden zu wollen.

 

Wie ich hier also in der Lebenspfanne brutzle, von Zeit zu Zeit gewendet, damit auch meine Rückseite ordentlich angeschmort wird, erinnere ich mich daran, dass es zu jeder Zeit wohlmeinende Stimmen gab, die mir mit ihrer Weisheit weiterhelfen wollten. Ich bin nicht blind gegenüber der liebevollen Absicht, die dahinter steckt. Nur wird es mal Zeit etwas auszusprechen, was so überhaupt nicht ins Konzept der Putzi-Wutzi-Rosa-Brille-Weichspülweisheiten passt, die einem täglich allerorts um die Ohren gehauen werden.

 

Das Leben ist ein Biest, das zwar toll anzusehen ist, aber jederzeit bereit, einen mit Haut und Haar zu verschlucken.

 

Und solltest du gerade das Gefühl haben Hals über Kopf im Schlund dieses Biestes zu verschwinden, und solltest du bei aller Weisheit und Gelassenheit nicht recht verstehen, was der Sinn dessen sein sollte, dann fühl dich frei, darauf einen ordentlichen, stinkenden Haufen zu setzen. Ja, scheiß drauf. Da ist kein tieferer Sinn und keine edle Bedeutung hinter all dem – außer dem, den du deinem persönlichen Lebensabenteuer geben willst. Und bleib locker, während du den üblen Atem des Lebensbiestes um dich herum riechst. Egal wie richtig es erscheinen mag, und egal wie überzeugt du sein magst, dass eben diese Sicht die einzig wahre ist – bleib flexibel, all das mit einem Lacher der Verzweiflung aufzugeben. Oder eben dich verschlingen zu lassen. Das ist auch nicht das Ende, vermutlich.

 

Ich möchte daran glauben, dass hinter jeder Herausforderung, etwas steckt, und auch was für mich raus springt. Mag sein, dass das nur eine getarnte Hoffnung ist, um mich weitermachen zu lassen. Aber genau das ist das faszinierende Wunder dieses Lebens. Weiter zu machen, auch dann, gerade dann, wenn die letzten Anker und Hilfsseile losgerissen sind.

 

Nein, ich werde nicht im zunehmend jugendlichen Wagemut Anhänger der Kampf-Idee. Das verdirbt nur die Laune. Wovon ich schreibe, ist eher eine gesunde Scheiß-Drauf-Einstellung. Weiter das zu machen, was man wirklich tun möchte. Ungeachtet der Anerkennung Anderer, oder ob es einem hilft, die Miete zu zahlen, oder ob man sich Freunde schafft, oder Feinde ansammelt. Wenn man schon tief genug im Schlund des Lebensbiestes steckt, stellen sich bestimmte Fragen nicht mehr. Dann fällt es erstaunlich leicht, all das loszulassen, was einen eh nur nervt, und he, verdammt, hat es wirklich jemals geholfen zu wissen, was Deprak Chopra von seinem bequemen Luxussessel herunter furzt? Hat das Leben nicht auch für die Gurus dieser Welt eine Pointe parat, die deren Klugscheißerei nur noch peinlich erscheinen lässt?

 

Tatsächlich sieht es mit etwas Abstand betrachtet so aus, dass jede Idee und Möglichkeit so richtig oder falsch ist, wie man eben gewillt ist, es zu glauben. Das heißt, eine Idee oder Möglichkeit wird nicht wahrer oder richtiger, weil viele daran glauben. Und eine Lüge bleibt eine Lüge, auch wenn sich viele darauf geeinigt haben, sie zu leben.

 

Wenn also am Ende alles zu einer Frage meines persönlichen Glaubens wird, dann darf doch frech gefragt werden, warum ich dann nicht an mich glauben soll. Und wenn ich tausendmal untergehe, und wenn ich in den Augen aller total irre oder was auch imm bin.

 

Wenn wir, ich meine damit alle, die sich gerade so richtig angearscht fühlen, gerade nicht verstehen, warum wir so angearscht sind, dann vielleicht einzig, weil wir das Leben richtig leben So richtig richtig. Ohne die süßen Lügen, auf die sich die zweibeinige Minderheit so leichtfertig um der Bequemlichkeit halber geeinigt hat. Wenn uns das Leben sticht und beißt und verbrennt, dann vielleicht einzig, damit wir fühlen, wie tief und wahr wir leben. Nicht, dass wir uns darauf etwas einbilden bräuchten. Nur um uns zu erinnern, dass die Alternative eine lahme Simulation eines „gesicherten“ und versicherten Mitlaufens und Mitlügens wäre.

 

Wir balancieren auf einem Drahtseil im Sturm über einen Abgrund, der ganz spezielle Todesarten verspricht. Ständig. Während irgendein Schalk uns was in die Hose gesteckt hat, was von Zeit zu Zeit in den Arsch beißt (was mich an Stan und Ollie erinnert, wie sie über das Baugerüst eines Hochhauses balancieren).

 

Das Leben bleibt ein Biest.

 

 

Fortsetzung folgt...