Moralisch verwerflich

 

Egal wo ich hinschaue, ist da ständig und immer irgendwer mit Patentrezepten für ein „richtiges“ Leben. Je mehr Fans so ein Wegweiser hat, desto richtiger scheint (muss) die Lehre zu sein. Ohne dass sich irgendwer auflehnt und – zu recht – wütend schreit:

„Ich will so leben, wie ich will! Lass mich meinen scheiß auf meine Art machen und erfahren, und spar dir deine wohlgemeinten Urteile.“

 

Gerade stolperte ich wieder über einige Bücher von Leuten, die für sich etwas herausgefunden haben, was für sie richtig und praktisch zu sein schien, und weil sie damit ein paar Leute inspirieren konnten, machten sie im nächsten Schritt gleich Weisheiten und allgemeingültige Gesetze daraus. Aber ist es so, wie sie schreiben oder sagen?

 

Besonders ärgerlich stößt mir auf, wenn Reinkarnations-, Schicksals-, oder Karmatheorien dafür herhalten müssen, moralischer Kompass zu sein. Dass man Leid aufgrund moralischer Fehler in diesem oder vorheriger Leben erfährt, und dass die Auflösung „nur“ zu finden sei, wenn man sein Leben dem Allgemeinwohl widme. Also, der Wert eines Lebens würde demnach am Nutzen für die Masse gemessen. Was heißt das für Kühe, Schafe, Schweine und Hühner? Sehr wertvoll für die Masse. So wertvoll, dass sie sogar zum Fressen gern gehabt werden...

 

Überall lauert die moralische Überhöhung bestimmter Lebensweisen, und Ablehnung oder Abwertung anderer. Ist es so einfach? Widme dein Leben anderen, und du führst ein glückliches Leben und wirst beschenkt? Deckt sich nicht mit meiner Erfahrung. Die Ablehnung die meine lieb gemeinten Hilfestellungen erfuhren, kann dann gleich wieder irgendwie bewertet werden. Dass es nicht selbstlos genug war. Oder ich versteckte Hintergedanken hatte.

 

Bemerkt ihr das System dahinter?

 

Da ist eine moralische oder sonst wie gepolte Erwartung, und wenn man sie nicht erfüllt, dann hat man wohl was „falsch“ gemacht, oder war nicht gut („richtig“) genug. Liebes Lesewesen, wie oft wurdest du bewertet und als „nicht gut genug“ abgestempelt? Und hast du dich jemals gefragt, wann deine Bemühungen „gut genug“ wären? Und für wen eigentlich?

 

Es mag ja sein, dass die weisen, schlauen Lao Tses dieser Welt wirklich die Antworten auf alle Fragen gefunden haben mögen. Doch was, wenn ich einfach nur aus Protest gegen die kosmischen Gesetze „Nein“ sage, und auch dieses Regelwerk ablehne? Das wird mir dann ganz sicher von den weise und quasi erleuchteten Super-Zweibeinern als mangelndes Bewusstsein ausgelegt. Als karmische Verfehlung. Oder einfach auf den Punkt gebracht: dass ich nicht richtig sei.

 

Schon komisch, dass man das einem Vogel, der einfach nur sein Leben lebt, nicht vorwirft. Ein Grashalm wird nicht bewertet oder diskriminiert, ob sein grün die richtige Grünheit habe, er gerade oder gebogen genug sei, oder sich ausreichend beim Wachsen anstrenge.

 

Mit anderen Worten: was ist das für eine kranke Besessenheit der Zweibeiner, alles in „richtigfalschgesundkrankgutschlecht“ einordnen zu wollen? Und was hat das auch nur ansatzweise mit meinem Leben zu tun? Was, wenn ich all die tollen, schlauen Wegweiser ignoriere? Meine Kanäle für die klugen Wege und Antworten schließe, und aufhöre zu glauben, es gäbe so etwas wie „Bewusstsein“. Wenn ich Magie, Esoterik, Wissenschaft, soziale und kommunikative Pflichten alle gleichermaßen als Irrtum und Illusion aus mir werfe, und stattdessen den gewonnen Freiraum für all den Scheiß nutze, den mir das Leben vorsetzt. Egal ob es schön oder hässlich ist. Ob es ökologisch oder fies ist. Ob es vegan oder blutig ist.

 

 

Außerhalb sozialer Systeme und Abhängigkeiten stelle ich mir die Frage, ob die Zweibeiner sich mit ihren Worten und Regelwerken nicht ein unerträgliches Gefängnis geschaffen haben. Sicherlich mit edlen oder praktischen Absichten. Harmonie und Sicherheit sollten gewährleistet werden. Doch zu welchem Preis?





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