Karma Gutschrift (26.6.2018)

 

Kaum ein Konzept wird gerade so bei mir in frage gestellt, wie die Theorie des „Karma“. Dass alles, was wir denken, sagen, oder tun, auf irgendeine Art von göttlichen Beamten im Karma Ministerium niedergeschrieben werden soll, und uns dementsprechende Prüfungen schickt. In sofern eine interessante Theorie, weil es nur die Zweibeiner zu betreffen scheint. Weil unsere Vorfahren irgendwann von „der Frucht der Erkenntnis genascht haben“? Irgendwie will mir das weniger und weniger einleuchten. So wie die ganze Ursache und Wirkung Philosophie irgendeinen Haken hat. Dem entsprechend, müssten alle, die anderen Leid zufügen, womöglich sogar willentlich, irgendwann zur Rechenschaft gezogen werden. Im realen Leben scheinen sich jedoch allerhand Leute an der Verurteilung durch die Karma Richter vorbei zu schummeln. Ja, sogar für ihre Kaltherzigkeit und Grausamkeit belohnt zu werden. Meinem Gerechtigkeitssinn gefällt es mäßig, dass diese Sünder dann angeblich in der Hölle landen, oder als Kröten wiedergeboren würden. Dafür habe ich einfach noch keine Hinweise entdecken können, die ansatzweise in den Bereich von Tatsachen oder Fakten kämen.

 

Auf der anderen Seite sind die so genannten „Gläubigen“. Die Engelchen und Heilige auf ihren Wegen sehen – und sie dann tatsächlich treffen. Und wenn nur in ihrer reichen Fantasie, und auf diese weise erstaunliche Wunder in ihre Leben ziehen. Was nach der Karma Theorie damit erklärt wird, dass man „Richtiges“ denken und tun kann.

 

Wenn man auf sich gestellt ist, wird gerade dieses „Richtig“-Thema ziemlich abgefragt. „Ist das wirklich auf meinem Weg?“, ist gerade eine häufige Frage. Offenbar ist es auf meinem Weg, sonst wäre es nicht da. Nur... Habe ich es gerufen, oder wäre es auch auf meinem Weg, wenn ich etwas völlig anderes gewünscht hätte? Ist wirklich mein Weg von Anfang an da, und wann immer ich davon abweiche, schicken mir die Karma Beamten Wegweiser, die mich zurück auf den Weg schubsen? Mitunter unsanft? Oder sind das nur tief verinnerlichte Konzepte, die vom Leben selbst aufgelöst werden, weil es will, dass ich mich der eigentlichen Wahrheit nähere. Die da wäre..?

 

„Finde es heraus“, flüstert das Leben. „Aber bewerte es nicht, benenne es nicht, genieße, und halt die Klappe!“

 

Hab ich das richtig gehört? Das Leben flüstert ziemlich leise, auch wenn es mich mit all den Hinweisen und Prüfungen auf meinem Weg regelrecht zu erschlagen droht. Okay, danke ich, dann mal ran an den Speck! Dann stell ich mich mal den Herausforderungen, und versuch beim Scheitern eine möglichst gute Figur zu machen. Heißt, mit Würde zu scheitern, und die kleinen Mini-Erfolge in Dankbarkeit wert zu schätzen. Wie ich auch versuche, die Prüfungen in Dankbarkeit anzunehmen. Wer weiß, vielleicht notieren das die Karma Beamten, und es gibt eine Karma-Gutschrift. Wenngleich ich es nicht auf eine Gutschrift anlege. Eigentlich will ich bloß mein Leben leben, möglichst entspannt, nach meinen Möglichkeiten, mit minimaler Einmischung von außen, und ohne zu sehr zu frieren dabei. Ist das zu viel verlangt?

 

Die christliche Karma Theorie, hat da die Philosophie der „edlen Armut“. Insofern scheint da was Wahres dran zu sein, weil man für materielle Sicherheiten oft Dinge tun muss, die von Karma Beamten stirnrunzelnd abgestraft werden. Die Belohnung, die so genannte Heilige von Gott persönlich für Aufopferungen und Entbehrungen erhielten, sehe ich allerdings weniger. Nicht in meinem Leben. Oder sind die Entbehrungen, die ich empfinde, keine wirklichen Entbehrungen? Wer entscheidet das? Wer entscheidet, wann Schmerz Schmerz ist? Wer außer mir könnte sagen: „Es ist genug?“ Oder ist es vielmehr so, dass die Karma Beamten solange das Schmerzfeuer schüren, bis wirklich der letzte Rest Ego, Stolz, oder Schatten weggebruzelt ist?

 

Ist also Dankbarkeit (nicht nur bei mir) ein Trick des Egos, sich bei den Karmabeamten eine Gutschrift zu erschummeln? Wann ist Demut wirkliche Demut? Wie tief unten muss man sein, damit eine Verbeugung in Demut wirklich als Demut gilt?

 

Die populären Eso-Kalendersprüche, die sich alle möglichen Leute auf die Flagge kritzeln, werden in meinem Leben gerade einer nach dem anderen im Feuer aufgezehrt. Es sind tatsächlich eher Hoffnungsträger, für die, die an Hoffnung glauben. Wer an Hoffnung glaubt, bekommt auch Hoffnung?

 

Und wenn Hoffnung sich als öde Schummelei enttarnt hat, und die Aufgabenstellung lautet, ohne Hoffnung weiter zu machen? Was dann? Ist es nicht so, dass Zweibeiner generell große Fans von Hoffnung sind, weil ohne sie, würden sie mit totaler Sinnlosigkeit konfrontiert. Ohne Hoffnung verschwinden auch die Karma Beamten und das System, für das sie zu arbeiten scheinen. Und dann wird man ziemlich herumgeschleudert. Vom Leben. Wozu? Bis man eine Struktur in dem Chaos findet? Einen roten Faden, an dem man sich lang hangeln kann?

 

Sinn macht das seit einiger Zeit keinen mehr. Lustigerweise lebe ich trotzdem noch. Statt Hoffnung, ist da die Aufforderung zu vertrauen. Vertrauen, nicht hoffen. Darauf vertrauen, dass alles genau so geschieht, wie es sein soll, und dass es passt, und genau dem entspricht, was meine Lebenserfahrung sein soll. Oder ist das auch wieder eins der vielen Konzepte, die ich in meinem Leben aufgeschnappt habe? Bin ich nur dann in keinem Konzept, wenn ich Schmerz fühle? Oder in der Stille das Schweigen übe? Wenn ich in maximaler Hilflosigkeit bin, und mich der Führung eines mir unbekannten Wesens überlasse, das ich wirklich nicht „Gott“ nennen will?

 

Oder ist das alles nur der Versuch des Lebens, mein Hirn und das ständige Gebabbel darin aufzulösen?

 

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