Die zauberlose Welt

 

Auf der Suche nach Gründen warum die Liebe scheitert, werden viele logische Antworten gefunden. Sogar Schuld wird leichtköpfig zugewiesen. Eifersucht, also Besitzansprüche und Erwartungen seien verantwortlich. Fehlende Chemie oder mangelhafter Gleichklang. Ungesund verteilte Machtverhältnisse werden erfunden. Besonders begehrt in scheußlich rationalen Zeiten, ist die Idee der fehlenden Bereitschaft zur „Beziehungsarbeit“. Verzeih mir, liebes Lesewesen, dass ich dir dieses übel riechende Wort zumute. Als fühlendes Herz ist es dir bestimmt irgendwann einmal um die Ohren geschleudert worden.

VielLeicht hast du dann, wie dein ehrenwerter Schreiberling, alles daran gesetzt, dich mehr anzustrengen. Paartherapien und Familienaufstellungen gemacht, und vielleicht gestaunt, was du alles über dich erfährst. Nur die Liebe wurde deshalb nicht größer, gesünder, und die Partnerschaft nicht harmonischer.

VielLeicht warst du waghalsig und hartnäckig genug, die romantischen Liebesschwüre aus Popsongs und Hollywoodfilmen zu verbannen. Das „I will never hurt you“ durch „wir werden einander verletzen“ zu ersetzen. VielLeicht hast du dann bemerkt, dass ihr einander näher gekommen seid, und je näher ihr euch kamt, desto fieser wurde der Schmerz. Bis du die Notbremse ziehen musstest, um nicht an deiner Liebe zugrunde zu gehen.

 

VielLeicht kennst du einen, oder alle diese Punkte.

 

Doch könntest du den Moment benennen, da der Zauber verloren ging?

 

Hoffentlich bist du niemals aus einer Nutzenrechnung oder Zweckgleichung in eine Beziehung gegangen. Ich habe gehört, das soll es geben. Wahrscheinlicher dürfte sein, dass du jemand gefunden hattest, mit der/dem Erfüllung möglich wurde.

Schmetterlinge im Bauch.

Das Gefühl, mit jemand zu sein, mit wem man sich verstanden fühlt. Gemeinsame Entdeckungen in einer plötzlich sonderbar leuchtenden Welt. Geiler Sex, der die Wände zum Beben bringt, oder wenigstens den Nachbarn veranlasst, gegen die Wand zu hämmern.

 

Wann ist man dazu übergegangen, diesen Zauber nicht mehr „Liebe“ zu nennen, sondern „Verliebtheit“. Welcher Arsch war dafür verantwortlich? Mit einem gewissen herablassenden Tonfall von Verliebtheit zu sprechen, als wäre das eine naive Art der Liebe. Als würde man nur dann „richtig“ lieben, wenn man auf eine „erwachsene Art“ liebt, und die Banalität des Alltags mit integriert.

 

Hast du jemals gewagt, dich gegen diese weitverbreitete Ideologie zu stellen?

Hast du dich jemals getraut, im Namen der Liebe, zu sagen: „Don't want your bullshit, yeah,
just want your sexuality“? Wie es Kate Bush im Song of Solomon für alle Liebenden einmal tat?

Wie schnell wird man dafür verurteilt, wenn man sich weigert, die Banalität des bösen Alltags in die Liebesgeschichte einzulassen. Nicht erwachsen sei man dann. Unreif sei man deshalb.

 

Was jedoch, wenn die Liebe groß genug ist, auch diese Form zu erlauben? Dass man frei ist, die Liebe so zu definieren, wie man sie sich vorstellen kann. Wie man sie sich zu erträumen wagt. Nach der Liebe zu streben, die einem am erstrebenswertesten erscheint. Wenn dem so wäre, würdest du wagen, das Unmögliche zu träumen?

 

Eine Liebe, die pure Poesie ist.

Eine Liebe, die nicht nur den Alltag verbannt,

sondern so viel Raum und Zeit zwischen Banalität und Ekstase schiebt, wie es nur möglich ist.

Eine Liebe, die unbeschreiblicher Schönheit dient.

Eine Liebe, in der die Beteiligten durch Lust und Kreativität geeint sind,

die keine Beweise oder von außen anerkannte Manifestationen erfordert.

Eine Liebe, die sich selbst feiert, um der Liebe willen.

Einzig, um einen Klang zu erzeugen, der in die entferntesten Galaxien getragen wird.

Eine Liebe, die stark genug ist, sich über Normen und Vorgaben zu erheben, und nur eine Sünde kennt:

Wege zu gehen, die andere schon gegangen sind.

 

 

(Vigor Calma, 2018)