Anastasia, Wladimir Megre, natur,

Begrab' deinen Minirock am Ende der Taiga, Anastasia!

 

Ich besorgte mir das Buch "Anastasia" aufgrund zweier Empfehlungen von lieben Herzen, mit denen mich Naturverbundenheit und bestimmte Ernährungsvorlieben verbinden. "Anastasia" war nur ein Buch in einer Serie von 10 (!) Büchern, in denen es um die Erfahrungen eines Russen mit einer … tja... was eigentlich... Magierin? Hexe? Hippiebraut? … in der russischen Taiga ging.

 

Ich besorgte mir das erste Buch (die weiteren 9 lasse ich mir gerne entgehen), weil in mir massiv Sehnsucht nachInspirationen in Sachen Natur und Leben in der Natur ging. Obwohl es vielen so wie mir zu gehen schien, und der Ruf in Einfachheit und Natur von vielen gehört wird,  gibt es nur wenig gute Literatur zu dem Thema.

 

So glaubte ich für einen Augenblick die hochtrabenden Rezensionen für die „Anastasia“ Buchreihe. Ich freute mich auf sagenhafte Weisheiten, die mir auf meinem weiteren Weg tiefer in die Natur helfen könnten. An einem sonnigen Sommertag im zypriotischen Winter, setzte ich mich auf die Veranda und begann zu lesen...

 

Hier ist es vielleicht sinnvoll einzuschieben, dass ich Bücher genossen habe, die manche Leser nicht mal mit Handschuhen oder Zangen anfassen würden. Keine genüssliche geschilderte Dekadenz, kein detailliert ausgebreitetes Ekelszenario, keine abwegige Idee, und sogar grenzenlose Banalitäten haben mich je daran gehindert, Inspiration oder Freude zu finden. Das heißt, ich bin mit ziemlich krassen Wassern gewaschen, und wenn mich aus Buchseiten Eichhörnchen anspringen, die auf Fingerschnipp Nüsse anbringen, he, kein Problem! Alles ist möglich. Dies ist das Universum der Wunder.

 

Ich raste wissbegierig durch Seite um Seite, weil ich endlich die irren Weisheiten der Anastasia über die Beschaffenheit der Natur erfahren wollte, die so viele in dem Buch gefudnen haben wollten. Stattdessen las ich da, wie Anastasia sich neben Wladimir halbnackt in die Wiese legt, er seiner Geilheit unterliegt, und als er sie bespringen will, wird er ohnmächtig...

 

Bitte nicht lachen! Das ist eine ernste Sache. Ich habe in meinem Leben manches Hippiegirl getroffen, und in all ihrer Natürlichkeit waren sie sich nie auch nur ansatzweise darüber bewusst, welche Wirkung ihre Nacktheit auf  männliche Äffchen ausübte. (Oder..?) Eben weil sie sich darüber nicht bewusst waren, wurde die Wirkung nur verstärkt. Für einen Moment fühlte ich mit Wladimir, und dachte: „Oha! Ein Eso-Buch, in dem Lust mal nicht ausgegrenzt wird..?“ Ich wollte, dass mir das Buch gefällt.

 

Ein paar Seiten weiter, wurde dann erklärt, warum Anastasia mit Hilfe von Naturgeistern die lüsterne Attacke ausgebremst hatte:

Weil NUR Sex mit beidseitigem Kinderwunsch wirkliche Erfüllung schenkt...

 

Zu schreiben, dass mich bei diesen Zeilen ein Blitz durchfuhr, wäre eine Untertreibung. Ich bemerkte es nicht sofort, doch das Buch war mitsamt Wladimir und Anastasia durch einen einzigen Satz getötet worden. Von da an, rückte die Geschichte in den Hintergrund, und die Frage in den Vordergrund, wer eigentlich dieser Autor sein mochte. Es gibt zum Thema Sex mindestens so viele Glaubensbekenntnisse, wie zur Ernährung. Sobald jemand mit einer totalitären „Nur-So-Ist-Es-Richtig“-Ideologie um sich schlägt, gehen bei mir Alarmsirenen los.

 

Ich wollte noch weiterlesen, schaffte es jedoch nur noch, die weiteren Seiten zu überfliegen, auf der Suche, nach irgendeiner brauchbaren Info. Fehlanzeige. Die angekündigten „sagenumwobenen Phänomene“ waren nichts, was ich nicht in Hexenbüchern besser und glaubwürdiger geschildert bekommen hatte. Auch richtige Hexen hatten mir manches näher gebracht, was in dem Buch auf der Ebene von Kalendersprüchen präsentiert wird.

 

Als es um die Magie der Zedern ging, fragte ich mich, ob das Buch eine Marketingstrategie war, um Zedernholz und Zedernöl zu verkaufen...

Nein, lieber Naturfreund, ich bin kein zynischer Rationalist. Nie gewesen. Ich möchte  folgendes zu bedenken geben:

Was soll der Kult um einen Baum? Sind nicht alle Bäume Wunder? Haben nicht alle Bäume, nicht alle Pflanzen ihre spezifischen Qualitäten? Und die Story, dass die Zedern anfangen zu klingen, weil sie gefällt werden wollen (…!), klang wie eine Passage aus dem „Restaurant am Rande des Universums“, wo sich ein Tier selbst zum Essen anbot.

Der Unterschied: Douglas Adams spiegelte in seinem Roman die perverse Fantasie, wie Zweibeiner es gerne hätten. Wladi meinte es ganz ernst, und spiegelte damit den alten, orthodox-katholischen Glauben wider, die „Menschheit“ wäre die Krone der Schöpfung. (Was in dem Buch übrigens mehrmals fast wortwörtlich geschrieben steht...)

 

Es handelt  sich bei der „Anastasia“ Serie um ein Geschäftskonzept, in der Tradition von Harry Potter und 50 shades of nothing.

 

Manche Bücher nutzen die Sehnsuche vieler Zweibeiner aus, die gerne aus der Sklaverei fremdbestimmter Systeme ausbrechen wollen. Doch wie wollen Herzen Freiheit erlangen, wenn sie sich einem ideologischen Konzept unterwerfen, das vorgibt, wie sie zu handeln und zu glauben haben?

 

Warum nur merken Suchende selten, wann sie ausgenutzt werden? Harry Potter verkauft Kindern keine Magie. 50 Shades verkauft Lustsuchern keine Lust. Scientology verschafft keine Freiheit durch Wissenschaft. Anastasia bietet keine brauchbaren Hinweise für neue Wege in die Natur.

 

Ist die Sehnsucht nur groß genug, scheinen Viele bereit alles zu schlucken. Ist das nicht, womit Manipulatoren der Welt zu allen Zeiten maximale Erfolge feierten? Gib den Suchenden, was sie wollen. Lüg' ihnen süßen, klebrigen Irrsinn vor, und je süßer, desto sicherer bleiben sie daran kleben.

 

Glauben versetzt bekanntlich Berge, aber wie werden wohl manche Anastasia-Gläubige damit umgehen, wenn sie bemerken, dass die Natur nicht auf sie gewartet hat, und sich die Natur nicht für ihre romantischen Ideen verbiegen wird? Wann werden die Ersten aufwachen, und einen lächerlichen Kult als lächerlichen Kult benennen?

 

 

 

 



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