Gute Gründe ?

Es sei Ihnen zugestanden, dass Sie gute Gründe für Ihr Handeln haben. Ihre Absichten sind edelster Natur, und sicherlich von Liebe durchtränkt. Lassen Sie die gleiche Liebe in die Momente der Ruhe fließen, die zwischen Ihren Terminen und Aktivitäten liegen? Tragen Sie in ihre Terminkalender Ruhepausen ebenso akribisch ein, wie Geschäftstermine und Treffen mit Freunden und Liebhabern?


Wenn ja, gratuliere ich Ihnen dazu. Weil es diese Ruhepausen sind, die Ihr Leben in friedliche Bahnen lenken. Weil es diese Ruhepausen sind, die Ihrem Sein die Möglichkeit geben, Erlebnisse, Erfahrungen und Abenteuer in Ihnen an ihre Plätze fallen zu lassen.


Zweibeiner leben in Gesellschaften, die weltweit davon besessen sind, Aktivitäten anzuhäufen, und meist dauert es nicht all zu lang, ehe Stress aus Verstrickungen entsteht. Zeit mag nicht linear sein, die Abfolge von Handlungen sind es sehr wohl. Die Idee des Multi-Tasking ist extremst ungesund. Schauen Sie sich dafür nur einmal aufmerksam einen Artisten oder Straßenmusikanten an; einen von der Sorte, der gleichzeitig Pauke, Gitarre, Mundharmonika, Tamburin und noch ein ein Instrument spielt. Oder ein Jongleur, der zwanzig Bälle rotieren lässt. Da bleibt nicht viel Raum für Spiel und Spaß, auch wenn es für Zuschauer äußerst unterhaltsam ist. Bestimmt ist auch das Verhalten gestresster Verstrickter extrem unterhaltsam - für all jene, die von außen entspannt aus einer Position der Ruhe darauf blicken.


Über Jahre beobachtete ich das immer gleiche Verhalten bei gestressten Verstrickten. Sie leiden unter Zeitnot und Schlafmangel, und dennoch kommen sie unter keinen Umständen auf die Idee, etwas an ihrem Verhalten zu ändern. Sie glauben wirklich und aufrichtig, dass all ihre Handlungen wichtig, sinnvoll oder unabänderlich wären. Haben sie irgendwo eine freie Stelle im Terminkalender, werden sie keine Sekunde zögern, und diese freie Stelle mit einem Ereignis zu füllen. Natürlich ohne Anfahrtszeiten, Rückfahrtzeiten, und schon erst Recht keine Ruhepausen einzuplanen. Was meist früher oder später, dazu führt, dass etwas in der Planung nicht funktioniert, und der Körper mit Stress-Symptomen reagiert. Der nächste Schritt ist fast immer, dass Herzen in der Nähe dieser Gestressten entweder Schuld für den Stress zugeschoben bekommen, oder einfach in Mitleidenschaft verstrickt werden.


Diese Mechanismen sind in den meisten Gesellschaften völlig normal und akzeptiert. Wogegen jede Form von Ruhe, Gelassenheit und Nicht-Handeln schnell leichtfertig als „Faulheit“ ausgelegt wird. Zumindest werden Wertung und Verurteilung sehr viel schneller heran gezogen, als einmal in den Spiegel zu schauen, und inne zu halten, bevor die nächste Verstrickung erzeugt wird.


Vielleicht bin ich als Maler besonders beschenkt damit, dass ich die Abfolge der Ereignisse gut kennengelernt habe, die zu einem fertigen Gemälde führen. Gerade im künstlerischen Schaffensprozess, sind Muße und Ruhe Grundaspekte. Es sind die Ruhezeiten, in denen aus Träumen Bilder und Formen erwachsen, die es später auf die Leinwand zu bringen gilt. Das lässt sich selten erzwingen, und malen unter Zeitdruck geht meist auf die kreative Substanz des Werkes. Häufiges Phänomen in vielen Partnerschaften meines Lebens war, dass Freundinnen meine Ruhepausen nicht als Teil meines Schaffensprozesses sahen. In ihren Augen, „lag ich nur faul rum“. Ich wiederum begriff oft nicht, warum sie sich ihr Leben mit Ereignissen vollstopften, obwohl sie dringend etwas Ruhe benötigten. 


Es ist schwierig sich nicht zu verstricken, in Gesellschaften, die auf Aktivität gebaut sind. Wer sich weigert, mitzuspielen in der Hatz um Geschäftigkeit, wird sich sehr schnell in der Position eines Angeklagten wiederfinden. Es ist eben diese Anklage, der viele Verstrickte entgehen wollen. Sie nehmen die Verurteilung vorweg, und wollen, ganz die artigen Kinder ihrer fordernden Eltern, Liebe und Aufmerksamkeit für ihre Taten. 


Dinge, die aus Freude getan, mit Liebe gemacht werden, befinden sich meist völlig außerhalb der üblichen Zeitstrukturen. Daran zu erkennen, dass Sie Stunden, Tage und Jahre damit zubringen können, ohne dass sie auf die Uhr schauen, und darauf warten, dass „es“ vorbei geht. Wie anders ergeht es wohl den meisten Zweibeinern bei Arztterminen oder Behördengängen.


Ein Leben in Liebe und Frieden, ist davon erfüllt, den Terminkalender mit Pausen zu füllen, als würde man für diese Pausen reich entlohnt. Was übrigens der Wahrheit entspricht. Die Währung, in der Ruhezeiten bezahlt werden, heißt Gesundheit. Ausreichend Zeit zum Atmen, zum Lachen, zum Tanzen, zum Träumen, für alles, was einen funktionierenden Zweibeiner zum Menschen machen kann.


Sofern Sie zu wenig Zeit zu haben glauben, fragen Sie sich, warum Sie unbedingt jede freie Stelle in ihrem Terminkalender mit Beschäftigungen und Geschäftigkeit füllen wollen. Oder fragen Sie sich, mit welcher Begründung Sie Dinge in Ihr Leben schreiben, auf die Sie wirklich und in Wahrheit nicht die geringste Lust haben. Oder wissen Sie noch nicht, dass alles einen Preis hat? Dann lassen Sie sich vergewissern, dass dem so ist, und fragen Sie sich, welchen Preis sie tatsächlich bereit sind, zu zahlen. 


Sofern Sie glauben, irgendwer wäre für Ihr Leid zuständig, fragen Sie sich, warum Ihr Leid bestehen bleibt, wenn die Angeklagten und Schuldigen aus ihrem leben längst verschwunden sind.


Sofern Sie glauben, Sie müssten etwas tun, um im Nicht-Handeln und der Befreiung von Geschäftigkeit zu landen, fragen Sie sich, wie Leid in Ihr Leben kommen könnte, solang Sie nicht danach greifen, oder es herzlichst einladen.