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Weit Verbreitete Irrtümer Zu Schönheit Und Jugend

Wer mit dem Phänomen der Schönheit konfrontiert wird, tendiert dazu, in Fallen zu stürzen und unhaltbare Mythen romantisch zur Wahrheit zu verklären. Man könnte glauben, es wäre rein Prägung und Manipulation durch die Medien – was nicht stimmt. Sie haben sich nur ein Urprinzip der hinterhältigen Natur zu eigen gemacht. Was gemeinhin als Schönheit deklariert wird, sind durch und durch oberflächliche Signale der Natur, mit denen Gesundheit, Sicherheit, Potenz und Gebärfreudigkeit versprochen werden. 

Schönheit (und Jugend) sind gewissermaßen miese Tricks der Natur, um mögliche Partner zusammen zu führen und in Sex zu verstricken. Liebe hat damit so wenig zu tun, wie Romantik oder tiefere Ebenen von Kommunikation. Mit anderen Worten: wer Entscheidungen zur Partnerwahl an Maßstäben von Schönheit und/oder Jugend ausrichtet, läuft Gefahr sich ordentlich zum Narren zu machen. Was übrigens denen, die von Jugend oder Schönheit gefangen werden, meist total egal ist. Bis sie bemerken, dass eine schöne, junge Hülle oft nichts als eine Projektionsfläche für eigene Fantasien ist… 

Fatal in diesem Spiel ist, dass sich kaum jemand der Schönheit oder Jugend entziehen kann. Es ist ein archaisches, genetisches Programm, das nicht erlaubt, dass man sich ihm entzieht. Fortpflanzung und Fortbestand der Rasse will gewährleistet sein. Da ist das Leben gnadenlos und erlaubt keinen Widerspruch.

Wer genug geübt hat, oft genug desillusioniert wurde, oder einfach mutig genug ist, einen Schritt zurück zu treten, den ersten, illusionären Eindruck zu hinterfragen und zu überprüfen, wird vielleicht bemerken, dass es einen Unterschied gibt, zwischen Verlockungen der Schönheit, visuellen Reizen, und Fakten. Wem es reicht, Fantasien auf ein hübsche Hülle zu projizieren,  gut, warum nicht? Bitte nicht wundern, dass in der Hülle weder Fantasien, Kreativität oder Erfahrung zu finden sind. 

In einer etwas erwachseneren, reiferen Sicht, besteht das Bewusstsein, dass Erfahrung Spuren hinterlässt. Mitunter sogar Narben. Erfahrung ist, wie fortgeschrittene Sexperten sicher wissen, ein unschlagbares Aphrodisiakum. Was im Umkehrschluss bedeutet,  dass ein erfahrenes Herz nicht zwangsläufig wie eine Ikone aus einem Modejournal aussieht. 

Warum fallen die Zweibeiner so gerne auf die Illusion der Schönheit herein? Warum wird Jugend schamlos idealisiert, obwohl Reife mitunter viel mehr Entspannung ins Leben bringt, als ein Teenager jemals erfahren darf?

Teil der Falle der Natur ist die Ausschüttung von Endorphinen, sobald Schönheit anwesend ist. Schönheit und Jugend kommen immer im Doppelpack mit Endorphinausschüttungen. Weshalb kleine Äffchen Freude empfinden, wenn sie Bilder ansehen, die Schönheit abbilden. Schönheit allein wäre Bedeutungslos, wären wir nicht darauf genetisch programmiert, bei bestimmten Schlüsselreizen, Endorphin-Kicks zu genießen. Dieser rauschhafte Kick wurde und wird „Verliebtheit“ genannt, hat aber mit der großen Schwester „Liebe“ herzlich wenig zu tun. Diese ist darauf begründet eine völlig andere Art von Stimulans zu finden, auf die der Begriff „Schönheit“ kaum anwendbar ist. 

Es ist nichts falsch daran, sich an Schönheit zu erfreuen. Das ist der Trick mit dem Blumen Insekten locken. Es wäre sinnlos dagegen ankämpfen zu wollen. Wer jedoch Beständigkeit, Glück, Ekstase oder Liebe anstrebt, ist gut beraten, die Venusfliegenfalle mit Sicherheitsabstand zu betrachten. 

Liebe wird – romantisch ausgedrückt – durch Engel vermittelt. Nicht der eigene, egozentrische Geschmack oder die Verlockungen der Natur sind ausschlaggebend, sondern subtilere Reize. Phänomene, die sich nicht so einfach mit ein paar Pinselstrichen skizzieren lassen. Allein das könnte aufmerksamere Beobachter nachdenklich machen. Wie lässt sich wirklich Anziehung zwischen Herzen darstellen? Wie lässt sich ein unaussprechliches Phänomen in Worte fassen? 

Immer wieder machte und mache ich die Erfahrung, dass die Dinge, die wirklich Bedeutung haben, sich jeglicher Beschreibung oder Darstellung entziehen. Großartige Künstler, Maler, Poeten, Musiker, Tänzer, schaffen es – meist durch Geschenke überraschender Unfälle – dann und wann einen winzigen Funken dieser magischen Wahrheit einzufangen. Wahrheit, die das Bindeglied tiefer, sinnlicher Beziehungen ist. Wogegen es eine der einfachsten Übungen überhaupt ist, Schönheit und Jugend abzubilden oder blumig zu beschreiben. 

Reife (gemessen an Zahlen in einem Reisedokument) wird in der westlichen Kultur überwiegend mit der Vorbereitung auf das Ende in Zusammenhang gebracht. Eine grobe Vereinfachung, die massiv an der Wahrheit vorbei rauscht. Es braucht eine gewisse Reife, die üblen Tricks der Natur zu begreifen, sich davon loszusagen, und neue Wertmaßstäbe zu etablieren. In denen es nicht mehr um oberflächliche Phänomene geht, sondern die Frage, welche Antworten das Gegenüber aus den Lebensaufgaben gezogen hat. Ob daraus Resignation oder Vertrauen erwuchsen. Selbstliebe oder Sarkasmus. Der Begriff der Schönheit ist darauf nicht anzuwenden, und es ist in Ordnung, ihn der Narretei der Jugend zu überlassen. Es steckt darin ein großer Unterhaltungsfaktor, oft verbunden mit demütigenden, schmerzhaften Momenten, wenn die Illusion auf den harten Boden der Wahrheit aufschlägt. Reifere Herzen lernten zu hinterfragen, worauf sie ihre Energien lenken, und was sie tatsächlich wollen. Das sieht von außen betrachtet vielleicht nicht „cool“ aus, doch fühlt sich unbeschreiblich an, und brennt entschieden länger als ein  Feuerwerk.