Fragen und gefragt werden

 

Ich liebe Fragen.

Ich frage gern.

Weil ich wissen will, wen ich vor mir habe.

Weil ich Interesse an meinem Gegenüber habe.

Weil ich mein Gegenüber mit Aufmerksamkeit und Wunsch nach Einblick beschenken will.

Weil ich gerne Aspekte finde, die meiner bekannten Sicht, fremde oder neue Aspekte hinzu fügen.

Es ist okay, wenn diese Einblicke fremd, erstaunlich oder sogar schmerzlich sind.

Das hat weniger damit zu tun, dass ich latent masochistisch zu sein scheine, als mit Freude an Wahrheit, Autentizität und Einfachheit.

Im Zweifelsfall bevozuge ich schnelle Offenlegung unüberwindbarer Hindernisse, statt der Illusion zu verfallen, eines Tages könnten Änderungen eintreten.

Das Leben hat mich gelehrt, dass es extrem anstrengend, unerfreulich und schmerzlich ist, auf Änderungen anderer zu warten oder zu hoffen. Oder zu spüren, wie Andere Änderungen erwarten, einfordern, und ich den Erwartungen gegenüber rebellisch bleibe.

Fragen räumen diese Illusionen aus dem Weg.

Mit etwas Glück - das ich ein paar Mal im Jahr habe - werde ich durch Einblicke bereichert, gespiegelt, inspiriert, und so einfach es klingt, macht mich das glücklich.

 

Ich liebe es gefragt zu werden.

Weil es Interesse meines Gegenübers ausdrückt.

Weil ich dann das Gefühl habe, mein Gegenüber lässt eigenen Vorurteilen und Mutmaßungen wenig Raum.

Weil die Fragen Anderer ein Zusammentreffen lebendig machen.

Weil dadurch niemand in die Falle eitler Monologe stürzt und Raum für Zuhören geschaffen wird.

Was wiederum das Gefühl erzeugt, dem Gegenüber wenigstens im Moment wichtig zu sein.

Gefragt werden, bedeutet Grenzen und Räume zu achten.

Ich fühle mich wertgeschätzt, wenn jemand mich als Individuum erkennt.

Gefragt werden, heißt, dass mein Gegenüber für möglich hält, dass ich Antworten habe, die unbekannt und neu sein könnten.

Es bedeutet, dass jemand, wie ich, genug Mut besitzt, desillusioniert zu werden.

 

In dieser Welt machen sich Fragende verletzlich. Es kann vorkommen, dass tiefe Einblicke Antworten geben, die gegen mich verwandt werden. Das ist ein Risiko, das ich eingehe. Auch dadurch lerne und wachse ich.

Ich liebe es, wenn mein Gegenüber sich verletzlich zeigt, ehrlich antwortet, und mir ist es heilig, das für mich zu behalten. Als wertvolles Geschenk. Auch wenn es verlockend scheint, daraus eine nützliche Waffe zu schmieden. Mir ist der Moment des Vertrauens wertvoller, als die Vorteile, die mir später entstehen können, Geheimnisse auszuplaudern oder zu benutzen.

 

Fragen und gefragt werden, sind Symbole einer Vertrauensbasis.

Vertrauen kann enttäuscht werden, und ich nehme das als Möglichkeit an. Es ist mir lieber, als mit Misstrauen durch die Welt zu schleichen, oder haltlose Vermutungen über Herzen zu stülpen, wie das überall ganz normal gemacht wird.