· 

Feindbild Mann



Sexismus ist ein interessantes Konzept. Nicht weil es so originell wäre, sondern weil es Schuldzuweisungen tarnt, und zu unanfechtbaren Tatsachen macht. Begründet worauf? Auf Genitalien, beziehungsweise auf Gender-Rollen.


Sobald man etwas genauer hinschaut, stellt sich heraus, dass viele Behauptungen nicht haltbar sind. Sexismus ist wie viele Konstrukte auf Glauben aufgebaut, und Glauben ist stark von Modeerscheinungen abhängig.


Momentan scheint eine Modeerscheinung zu sein, alles Schlechte dem Mann zuzuschieben, und Frau maßlos zu idealisieren. Ich sollte das wissen, weil ich lang genug der Sexismus-Illusion aufgesessen war. Es ist sehr leicht, angesichts lauter, alberner, plumper Männer-Rituale in eine Idee abturutschen, die vieles brutal vereinfacht. Ebenso leicht ist es, Frauen schamlos zu idealisieren. Obwohl Verletzungen so wenig mit Genitalien zu tun haben, wie Vergewaltigung mit Sex. 


Ich möchte in den Raum werfen, dass alle Erklärungen in sich fragwürdig sind. Die lange Geschichte der Zweibeiner zeigt, dass es ihnen unerträglich ist, wenn sich irgendetwas nicht erklären lässt. Sprache wiederum ist eine wundervolle Erfindung, um dieses Defizit zu kompensieren. Glaube versetzt bekanntlich Berge, und Sprache schafft Universen. Sind diese Universen real oder wahr? Wie mir scheint, wollen das viele Zweibeiner glauben.

Sprache scheint genau wie Kino nur dann Sinn zu machen, wenn man sich darauf einlässt; wenn man so tut, als wäre die Illusion real. Dann macht Kino Spaß und Sprache Sinn.


In Zeiten von Internet und digitaler Kommunikations-Verwirrung gibt es mehr Worte als je zuvor, bei gleichzeitiger Auflösung so genannter "Werte".  Wie so oft, polarisieren sich Meinungen. Die eine Seite will glauben, alles würde gut, würden alte Werte bewahrt oder wieder hergestellt, die andere Seite möchte alte Werte auflösen und am Besten ganz abschaffen. 


Interessant, dass Sexismus durch Sexismus abgeschafft werden soll. Es wird laut Toleranz für alle sexuellen Geschmacksrichtungen proklamiert, bei gleichzeitiger Ausgrenzung des Mannes. Irgendwer scheint immer schuldig sein zu müssen. Wer böte sich dafür besser an, als eine Gruppe, die mit viel Lärm um Nichts auf sich aufmerksam macht? Während allen Genderspielen zugestanden wird, frei zu sein, steht auf der Mannrolle eine Forderung. Als "Mann", was auch immer das sein soll, hast du Forderungen zu erfüllen. Interessant. Ist das nicht genau das, weshalb Frauen rebellierten, und sich weigerten, unbegründete Forderungen länger zu erfüllen? 

Eine einfache Verschiebung der Pole und alles wird gut..? Glaubt das wirklich irgendwer?


Ja. Es wird - zumindest laut Internet - ein stetig wachsendes Feindbild. 

Sie glauben ich spinne? 

Dann googeln Sie bitte Frauenhass, und Sie werden als Definition viele Erklärungen finden, wie Männer auf Frauen Feindschaft projizieren. Googeln sie Männerhass, werden Sie die gleiche Definition finden: Männer, die auf Frauen Feindschaft projizieren. Fragen Sie sich bitte, wie unterschiedliche Begriffe, die gleiche Definition haben können. Wenn Sie dann schon dabei sind, fragen Sie sich, ob Frauen nicht hassen. Weil sie so edel sind? So zart? So sanft? Weil sie gebären und Mütter sind? Oder, und das überprüfen Sie bitte für sich, ist da ein Bereich, der schlicht wegignoriert wird? Dass Frauen, nach bester Sexismus-Vorgabe, nicht hassen dürfen. So wenig, wie Frauen wütend sein und Wut zeigen dürfen.


Wie Sie sehen, befinde ich mich nun mitten im schönsten Sexismus. Der sich sofort auflosen lässt, indem die Genitalien ausgeblendet werden. Dann ergibt sich sofort ein anderes Bild.

Wer ist nicht verletzt worden?

Lässt sich irgendein Schmerz mit dem Schmerz anderer Verletzter vergleichen?

Wie lässt sich über Verletzungen reden, ohne wieder diskriminiert und verletzt zu werden?

Und wie lässt sich mit unerträglicher Hilflosigkeit leben?


Sie ahnen es. Statt Hilflosigkeit anzuschauen, wird weggeschaut. Genau das, was die Weltrettungs-Bewegung im Internet so harsch verurteilt. Nicht wegzuschauen gilt dort als Regel des Augenblicks. Und wie im richtigen Leben bedeutet die Fokussierung auf ein Element, das Ausblenden vieler anderer Elemente.


Neulich geschah mir, dass meine Wut in bester Sexismus-Ideologie, zu einem Ausdruck falscher Männlichkeit verdreht wurde. Das tat weh, weil meine Hilflosigkeit keinen Schwanz hat und nicht Fussball spielt. Und weil mein Ausdruck von Hilflosigkeit - Wut - so wenig hilft, wie das Wegleugnen oder Schönreden von Hilflosigkeit und Wut.  Die Frau, die mich so diskriminierte, war sich nicht bewusst, dass sie in diesem Moment vergewaltigte. So wenig wie sich irgendwer heute bewusst zu sein scheint, dass Vergewaltigung kein sexueller Vorgang ist, viele Gesichter und Formen hat, und überall und ständig als Machtübergriff geschieht, wenn Grenzen missachtet werden.


Wer ist jemals auf die Idee gekommen, Vergewaltigung hätte etwas mit Sex zu tun, und wer fördert die Legende, dass Frauen nicht zu Übergriffen fähig wären? Wo ist die genderübergreifende Annahme der Tatsache, dass Zweibeiner verletzt und traumatisiert sind, und Feindbilder generell ein gewagtes Manöver sind? Hat die Geschichte nicht gezeigt, dass Feindbilder Projektionen sind? Die nur deshalb funktionieren, weil sie bequemer sind, als die unerklärliche Komplexität aller Phänomene zu akzeptieren.


Sollten Sie immer noch glauben ich spinne, dann erklären Sie mir bitte das Phänomen der Grausamkeit, und schieben Sie es dem Mann zu. Dann schicke ich Sie in die Natur, und bitte Sie genau hinzuschauen. Grausamkeit hat keine Genitalien.


Weshalb ich vorschlage, dass Sie sehr achtsam sind, wenn irgendwer Ihnen ein bequemes Feindbild anbietet. Fragen Sie sich: 

Ist das so?

Und fragen Sie sich, wer sich damit Vorteile erhofft. Und wozu? Und generell rate ich ungefragt zur Vorsicht bei Massenphänomen. Sie tendieren generell zu groben Verallgemeinerungen.


Weshalb mir seit langer Zeit egal ist, welche  Namen auf sexuelle Geschmacksrichtungen geklebt werden. Wie es mir auch egal ist, welche Genitalien jemand hat. Ich lege mich nicht mit allen in eine Badewanne, ich habe nicht mit allen Sex, und mir ist sogar erstaunlich oft egal, was jemand glaubt. Ich muss nicht alles verstehen, ich kann erstaunlich wenig erklären, aber ich fühle ein Herz, wenn ich eines vor mir habe.