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Überwacht

Der eigentliche Schrecken eines Überwachungsstaates, ist die Gewissheit und Drohung, dass alles was du tust, gegen dich gewandt werden kann.

Es gibt Regeln und Gesetze, die zu befolgen sind, und wie in Orwell's "1984", musst du davon ausgehen, dass ein großer Bruder alles sieht.

Dabei kommt die Unterdrückung weniger, durch die Einschränkung der Privatsphäre, als durch die Möglichkeit, ein Gesetz zu übertreten, ohne es zu bemerken. Damit verbunden, irgendwelche Strafen, die im Ermessen irgendwelcher Richter liegen. 


Es gibt so viele Gesetze. Seit den zehn Geboten, sind paar Tausend Regeln dazu gekommen. Dicke Bücher, die den Alltag der Zweibeiner in irgendwelchen Bahnen angedachter Menschlichkeit halten sollen. 

Da bleibt nicht viel Freiraum. Der Freiraum, der Zweibeinern in modernen Gesellschaften gelassen wird, ist der des Konsumenten. Im Konsum darf er noch - innerhalb der Regeln der Supermärkte und Einkaufszentren - relativ frei entscheiden.


Am liebsten wäre es dem System, wenn die Zweibeiner aufhörten eigenständig zu denken, und bezahlten Experten überlassen würden.

Was viele Zweibeiner auch tun. Aus Angst, Gesetze zu brechen und Scherereien zu bekommen, aber vor allem, aus Bequemlichkeit.


Ein gewöhnlicher Tag eines Zweibeiners ist mit vielen einstudierten Rollen, Gesten und Ritualen durchtränkt. Es ist anstrengend, es immerzu allen möglichen Zweibeinern Recht machen zu müssen. Was ohnehin unmöglich ist, aber wer Geld verdienen will, muss ein gewisses Maß an Sebstverleugnung und -lüge praktizieren und erdulden.

Am Ende eines solchen Tages, wollen die Zweibeiner einfach mal Zuhause in Frieden gelassen werden, und nach Herzenslust in ihre TV-Sessel furzen dürfen.

Das ist der Nährboden für Diktaturen. Das ist, wovor freie Herzen und romantische Träumer fliehen wollen. 


Sie flüchten in die Natur. In Gegenden, wo noch nicht jede Kleinigkeit durchkontrolliert scheint. Wo keine Kameras jeden Schritt aufzeichnen. 

Sie träumen von Gemeinschaften, wo Liebe und Freundlichkeit noch reale Werte sind.

Bis sie bemerken, dass Überwachung keine Perversion eines körperlosen Systems ist, sondern natürliches Verhalten des Zweibeiners. Oder genauer: Seines latent unterlasteten Superhirns. 


Der Tag ist zu lang, als dass da nicht noch etwas Zeit wäre, die Nase ins Leben anderer zu stecken. 

Dazu mussen nichtmal Fragen gestellt oder Interviews geführt werden. Es reicht völlig, das Gegenüber als Projektionsfläche für irgendwelche Urteile zu benutzen. Und dann genau zu beobachten, und Bestätigungen für die Urteile zu finden.

Der lieb gemeinte Rat "Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten" ist insofern absurd, weil fast alle Zweibeiner glauben, die Angelegenheiten der Anderen, wären ihre Angelegenheiten. Besonders dann, wenn man tatsächlich eigene Baustellen und Feuer im Auge behalten müsste. Da ist es sehr willkommen, sich mit den Leben anderer Zweibeiner abzulenken.


Sollte irgendwer glauben, dies geschehe nicht, weil jemand Yogakurse belegt, sich "Spirituell" nennt, oder mit Esoterik-Floskeln um sich schlägt, dann wird das Leben dafür sorgen, dass auch diese Wahrheit alle süßen Illusionen wegsprengt.

In vielerlei Hinsicht sind die banalsten und grausigsten Seifenopern aus dem TV, perfekte Spiegel für das ganz normale Verhalten der Zweibeiner, die so gerne "Menschen" wären.

Statt wie Affen mit Exkrementen nach allem Fremden zu schmeißen, werden heute Worte und Pixel dazu benutzt. Ungeachtet aller guten Vorsätze, gilt nicht die Unschuldsvermutung "im Zweifelsfall für den Angeklagten", sondern "mein Wille geschehe". Wer in Anderen einen Fehler finden will, wird alles daran setzen, mit Hilfe missgünstiger Beobachtungen, "Beweise" für die Fehler zu finden.

Was dazu führt, dass jeder Klumpen Zweibeiner, eine Ansammlung von sich gegenseitig beobachtenden Agenten feindlicher Lager ist. Eine Form von "meine Welt ist die einzige Wahrheit", trifft auf andere Formen von "meine Welt ist die einzige Wahrheit". 


Vermutung, Verdacht, Projektion finden auf einer fast ständigen Basis des Seins statt, werden aber selten offen und ehrlich angesprochen. Oder in offenen Gesprächen aufgelöst.


Wer aus dem System der Überwachung eines Staates aussteigt, wird höchst wahrscheinlich in ein kleineres System dörflicher Nachbarschafts-Spionage schlittern. Eine unfehlbare Norm richtigen Verhaltens, wird durch eine andere unfehlbare Norm richtigen Verhaltens abgelöst.


Egal wie du dich benimmst und anstrengst: Man wird Fehler in und an dir finden. Man wird sie gegen dich verwenden. Bevorzugt in einem Moment wirklicher Offenheit oder wehrloser Verletzlichkeit.


Es gibt einen Joker in diesem eng gewobenen Spiel. Du kannst dich von all dem abwenden. Du kannst dich soweit aus der Beobachtung entfernen, dass alle Urteile über dich, letztlich nichts sind, als heiteres Fehler-Raten. Was dich kalt lassen kann, weil niemand dich kennt, und niemand dich überwacht.

Willst du aus der Überwachung aussteigen, dann bereite dich auf Alleinsein vor. Lerne Alleinsein zu genießen. Und die damit verbundene Stille, wenn niemand über dich Gerüchte verbreitet, und du nicht den subtilen Druck spürst, dass jemand mit lieblosen Augen auf dich glotzt. 

Umd staune wie friedlich dein Sein wird, wenn du dem Überwachungsnetz entkommen bist.