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Der Schatz


Bist du ein anonymer Romantiker?

Tarnst du deine romantischen Traumwelten mit esoterischen, spirituellen, künstlerischen oder religiösen Konstrukten?

Hast du mit deinen süßen Autosuggestionen Erfolg?

Wenn ja: 

Gratuliere! Ehrlich. Ich freu mich für dich, und wünsche dir, dass du bis ans Ende deiner Tage damit glücklich bist. 

Es spart dir Drogen und allerhand andere ungesunde Akrobatik, mit der sich Zweibeiner in ihrer trügerisch heilen Nische bequem einzurichten versuchen.


Solltest du allerdings ein hartnäckiges, stures Gefühl nicht loswerden, dass irgendwas in diesem sonderbaren Lebensspiel nicht stimmt, dass ungeachtet deiner ehrlichen Bestrebungen, egal was du liest, lernst, wem du folgst, oder wen du dominierst, dass egal was du denkst oder glaubst, egal wen du hasst oder liebst, wenn du irgendwie ahnst, dass da etwas gewaltig an allen Lehren und Philosophien vorbei schrammt, dann fühle dich herzlich dazu eingeladen, zu hinterfragen, ob vielleicht nicht du "falsch" bist, sondern die überbewertete und romantisierte göttliche Schöpfung einen fetten, massiven, und unabänderlich sturen Fehler in sich trägt.


Auf jeden Fall bist du nicht allein, denn ich fühle und sehe es ebenfalls, und habe den größenwahnsinnigen Mut, es schamlos nieder zu schreiben, statt es würgend runter zu schlucken.


Ich begebe mich mit solcher Aussage natürlich in eine heikle Position. Ist das doch überhaupt nicht regenbogenfarben und heiter konsumierbar. Da höre ich bereits in den hinteren Reihen Herzen tuscheln, ich solle eine Therapie machen oder erstmal bei Guru Omnahashiwaia in die Schule gehen.


Nun, das ist das übliche Spiel. Ich nehme mich davon nicht aus. Ist da eine Botschaft, die nicht gefällt, findet man schnell logische Erklärungen, warum man die Botschaft nicht an sich ranlassen müsste. Total natürlich. Speziell dann, wenn das Ausmaß des zuschlagenden Hammers zu groß und gewaltig ist.


Ich habe mein ganzes Leben gefühlt, bereits als kleines Kind, dass einiges stinkt, in diesem Leben. Womit ich nicht sagen will, dass es nicht viele äußerst unterhaltsame Spiele gibt, auf diesem Planeten. Das Dumme daran ist nur, dass sie selten da hin führen, wohin die Wegweiser deuten. Das GPS des Lebens funktioniert nicht richtig.  

Oder anders gesagt: Wenn das Leben eine Schatzkarte wäre, dann ist das Kreuz, an dem der Schatz zu finden ist, nicht nur schwer zu erreichen. Durch dunkle Abgründe, über steile Berge, vorbei an unzähligen Gefahren. Nein. Um es richtig Irre zu machen, bewegt sich die unentschlossene Markierung, und mit ziemlicher Sicherheit, wird der Schatz nicht da sein, wo das Kreuz ihn zuerst markierte. Wenn du zum Überprüfen auf die Karte schaust, ist das Kreuz bereits an ganz anderer Stelle.


Vermutlich hat aus diesem Grund ein anonymer Romantiker den Satz in die Welt gefurzt, "der Weg sei das Ziel". Genau. Wenn der Schatz unerreichbar bleibt, egal wie man sich anstrengt, egal wie gelassen man bleibt, dann muss man halt aus der Not eine Tugend machen. 


Nun fühle dich herzlich dazu eingeladen, tief in den tiefsten und wichtigsten Kammern deines Herzens zu schauen, ob du damit wirklich und aufrichtig einverstanden bist.

"Der Weg ist das Ziel" beinhaltet eine versteckte Botschaft. Die sagt, dass egal was du anstellst, egal was du wie machst oder probierst - du kommst nie an. Bitte lass das Wort "Nie", auf deiner Zunge zergehen.


Ist das etwas, das dir Heiterkeit und wohlige Gefühle schenkt? Ah, du liebst Reisen? Du lernst gern? Du willst überhaupt nicht ankommen? Gut für dich. Lass uns in 50 Jahren nochmal darauf schauen. Denn Zeit spielt in diesem Phänomen eine amüsante Rolle. Was als Kind ohne jede Bedeutung, und dem Teenager spannend war, wird sich ändern. Routine wird einkehren, mit oder ohne Drogen, allein oder in der Gruppe. Du wirst auch, genau wie alle anderen, unter den Mühlrädern des Lebens, langsam und gründlich zerrieben.


Das ist etwas, was man nicht sagen darf. Positiv soll man sein. Optimistisch. Wer sowas sagt, bekommt schnell den Stempel "depressiv" oder "Therapiefall". 


Du kennst mich nicht, und auch wenn du nach diesen Zeilen keine Lust mehr hast, mich kennenzulernen, lasss dir sagen, dass ich weit von Depressionen entfernt bin. Im Gegenteil. Ich glaube von mir, dass ich im Lebensglück ausreichend weit voran gekommen bin. Auch in anderen angeblich erstrebenswerten Bereichen habe ich meine Kinderfingerchen tief genug reingesteckt. Ich ziehe aus dieser Komödie so viel Spaß, wie eben möglich. Ohne mich zu versklaven, und möglichst ohne mich all zu übel zu verstricken. Was mal mehr, mal weniger gut gelingt.


Und hier der Grund dieses Textes. Es spielt keine Rolle, welche Intentionen ich habe, wie ich mich verhalte, wo ich stehe, liege oder sitze. Seit langer Zeit spüre ich, wie das Kreuz auf der Schatzkarte herum geschoben wird. Im besten Fall gibt es temporäre Überschneidungen. Dass ich manchmal genau da bin, wo eine Begegnung, ein Ereignis, ein Ort, sich richtig gut anfühlt. So gut, dass ich es gerne bewahren wollte. Was prompt dazu führte, dass die Konstellationen sich wieder änderten. Das Kreuz auf der Schatzkarte von unsichtbarer Hand verschoben, manchmal auch versteckt wurde.


Für genau dieses Phänomen haben Herzen auf diesem Planeten Millionen Hinweise geschenkt. Was man machen könne, solle, müsse. Wirklich toll daran ist, dass man so sein ganzes Leben von einem Hinweis zum anderen springen kann, und immer schön beschäftigt ist, und niemals das Gefühl beachten muss, dass an der Hilf- und Sinnlosigkeit nie gerüttelt wird. 


Wer irgendeiner Idee folgt, hat eine Aufgabe. Je mehr jemand von dieser Aufgabe uberzeugt ist, desto wahrer und richtiger erscheint sie. Was dabei hilft, Wahrheit zu ignorieren. Man nennt den eigenen Weg kurzerhand "wahr", glaubt daran, und damit wird er wahr. Damit ist die Welt in Ordnung. Bis zum nächsten Erwachen. Dem Moment, da das Kreuz auf der Schatzkarte verrückt wird. Und es wird verrückt. Immer.


Die Beständigkeit der Änderung war mir als Teenager aufgefallen. Änderung war konstant. Sonst gab es nichts Beständiges. Am ehesten hatten das noch die Zen-Meister kapiert. Wenn sie sagten, dass alles Illusion sei, und wie man sich damit arrangierte, waren sie die große Ausnahme von der Regel. 

Die Regel sagt: Es ist okay, wenn du dir was vormachst. Finde einfach andere, die die gleiche Illusion oder Lüge glauben und leben, und schon wird die unerträgliche Unmöglichkeit des Seins erträglicher.


Daher auch das fragwürdige Bedürfnis der Zweibeiner zu klumpen. In einer Gruppe kompatibler Lügner, fühlen sich Lügner und Lügen wohl. In diesem Spiel wurden Millionen Konstrukte geschaffen, die über die Lüge hinweg täuschen sollen. "Schuld" ist so ein Konstrukt. Was bevorzugt auf die Herzen angewandt wird, die gegen bestimmte Regeln und Gesetze der Gruppe verstoßen.


Es wird diesen "Schuldigen" immer geben. Weil das Konstrukt der Zweibeiner so fehlerhaft ist, wie das Leben in sich. Was die Lügner nicht zugeben können und dürfen. Weshalb ein Opfer-Lamm gefunden wird, das dafür verantwortlich gemacht wird, wenn ein Ziel nicht erreicht wird. Man sagt kurzerhand: "Du hast das Kreuz auf der Schatzkarte verrückt. Damit hast du uns viel Arbeit und einige Schmerzen verursacht." Die Strafe reicht von Diskriminierung bis zur Hinrichtung des "Schuldigen". Ist der/die Schuldige aus dem Weg, ist nichts gelöst oder gewonnen. Aber die Gruppe tut so als ob, und dreht weiter heiter Runden im Rad des Leides und der Illusionen.


Eigentlich wollte ich nur ein paar Worte loswerden, warum all die süßen Ideologien der Zweibeiner nirgendwohin führen. Eigentlich eine ganz einfache Sache. So viele Zweibeiner. So viele Jahrtausende. So wenige "Erleuchtete". Was sagt das über die Idee der Erleuchtung aus? Ist da so ein Zustand? Ein Phänomen, wo das Kreuz von der Schatzkarte verschwindet und der Schatz ohne Bedeutung ist?


Ich habe keinen Erleuchteten gegroffen, und ich habe diesen Glauben verloren. Ich glaube nicht, dass irgendein Zweibeiner aus dem Spiel des Lebens aussteigen kann. Die Gleichung löste. Vielmehr glaube ich, dass es Herzen und Groupies gab und gibt, die das glauben wollten und wollen. Und die "Erleuchteten" gefallen sich dann in ihrer Rolle oder ihren hochdramatischen heiligen Kammerspielen.


Wer wirklich eintaucht in die Komödie des Lebens, muss irgendwann einsehen, dass kein Weg zu irgendeinem Schatz führt. Du kannst so tun als ob, oder aus dir eine tragische Gestalt machen, die gegen Windmühlen anrennt. Dem Leben ist das egal. Die Gleichung geht nicht auf. Du kannst Anhänger werden, Idol, oder irgendwas dazwischen, du kannst Weisheit horten, oder wie ein Blatt im Sturm herum wirbeln, allein, in Gruppen, mit oder ohne gewichtigen Titeln, und nichts wird daran etwas andern, dass du der Idee des "Menschen" nicht näher kommst.


Überlege einen Moment. So viele Kulturen, so viele Zweibeiner, so viel Zeit, und all das multipliziert mit unendlichen Versuchen und Anläufen. Noch immer gibt es keinen Frieden zwischen den Herzen. Keinen Frieden in jedem einzelnen Herz. Glaubst du, niemand hätte es ernsthaft versucht? Glaubst du, in der Geschichte des Lebens, gab es keine Superhelden wie dich, die es wirklich probiert hätten? Sie haben es probiert. Sogar die, die am krassesten gegen jede heilige, noble Idee rebellierten, haben es probiert.


Was uns alle, mich ebenfalls, in die Rolle von Narren drückt. Glaube bitte nicht, dass die Herzen mit schlauen Worten und heiligen Gesetzbüchern, mehr wüssten oder könnten. Sie sind Narren. Der Weg zur Menschwerdung geht durch ein langes, tiefes Tal der Narretei. Und verzeiht mir, wenn ich bezweifle, dass sich das jemals ändern würde. Denn die Narretei hält bereits zu lang an, und zu viele Narren haben zu oft versprochen, der Schatz wäre in greifbarer Nähe. Genau wie das Versprechen des Weltuntergangs. So viele Anläufe, doch es passiert einfach nicht.


Weshalb ich dir dringend empfehle, dein Geld nicht länger für imaginäre Erleuchtungsoptionen zu verprassen. Investiere in Eiscreme deiner Wahl, Schokolade, Torten, sinnlos geilen Sex, absurdes Entertainment jeder Art. Solang ein Lachen oder Orgasmus herausspringt, hast du wenigstens den Moment genutzt. Solltest du noch an die Idee von "mehr" glauben, naja, viel Spaß. Irgendwer wird sich uber dein Geld und deine Energie freuen.