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Perversion



Alles fügt sich zusammen. Vor vielen Jahren, als die asozialen Hetzwerke begannen ihre destruktive Macht über die Herzen zu kotzen, bemerkte ich eine subtile Verschiebung der Werte. Zuerst bemerkte ich es bei der Malerei. Als kaum mehr jemand zu sehen schien, wann ein Gemälde eine Seele hatte, oder warum. Dann bemerkte ich, dass niemand mehr einen Unterschied zwischen Hand- oder Computerarbeit zu machen schien. Hauptsache das Bild kam gut auf einem Handymonitor und war im Bruchteil einer Sekunde zu erfassen. Das war der Beginn des Triumpfes der Effekt-Kunst; Werke, die keine Bedeutung mehr haben mussten, solange sie nur beeindruckte. Oder noch besser: wenn man davor ein Selfie machen konnte, und damit ne Menge Likes ergeizte. Was meine Existenzberechtigung als Künstler in Frage stellte. Weil ich nie beeindrucken hatte wollen. Ich hatte berühren wollen. Was seltener und seltener passierte. Weil meine Gemälde nicht der um sich greifenden Gleichmacherei entsprachen. Die Likes gaben vor, was gut wäre - nicht was ein Herz fühlte oder in einem Werk für sich entdeckte. Für solche komplexen Vorgänge fehlte den Internetusern die Zeit.

Dann kam die Zensur. Kunst war nicht mehr frei. Kunst war, was Mark Zuckerberg erlaubte, und dieses verlorene, verletzte Herz verkaufte Moral an die Meistbietenden. Hier hätten Künstler weltweit aussteigen müssen. Im Namen der Ehre ihrer Musen. Aber sie begannen sich selbst zu zensieren..! Um "dabei zu sein"; Teil der grossen, absurden Internet-Idiotie. Kein Aufschrei. Keine Empörung. Kein erschrockenes Erkennen von Ähnlichkeiten zur Zensur faschistischer Systeme der Geschichte.

Und es weitete sich aus. Aus Sexualität wurde exhibitionistisch pornographische Körper-Artistik.

Worte zu Zitat-Fetischismus; ich zitiere also bin ich. Kommunikation zum eitlen Monolog vor imaginärem Publikum - nur an Zahlen unter einem Posting zu erkennen. Bewegungen wurden zu Internethappenings ohne Bedeutung; wozu auf die Straße gehen und den Konflikt suchen, wenn man die Imitation auch vom Schreibtisch bequemer haben konnte? Meinungen wurden zu künstlich aufgepumpten Genitalien; wenn alles chirurgisch vergrößert werden konnte, ging es auch bei Meinungen nicht mehr um Inhalt oder Wahrheit. Hauptsache die crowd likes it. Und gleich darauf hatte nichts mehr irgendeine Bedeutung, weil das Internet alles Verfügbar machte. Niemand fragte, ob das wünschenswert wäre. Bequemlichkeit siegte über Stil, Würde und Wert. Der Nährboden für eine Welt, in der Gerechtigkeit durch Mehrheit, und nicht mehr durch Wahrheit bestimmt wurde. Es reichte, ein schickes Hashtag zu finden, oder ein neues hippes Wort, mit dem sich Bedeutungslose wichtig ereifern und erhitzen konnten. Zwischentöne waren so wenig erwünscht, wie Gegenrede. Und gleich darauf war nur mehr eine Sicht richtig, und es war ganz normal in die Diskriminierungskiste zu greifen, und all die zu steinigen, die nicht mit dem Internetstrom schwammen. Diskussionen wurden in platten Anschuldigungen und enthemmten Beschimpfungen erstickt. Und gleich darauf wuchsen auf diesem Nährboden aus Gülle, Kotze und stinkenden Hirnabfällen, Ideen von Weltrettung duch totale Kontrolle und Entmenschlichung. Kein Thema mehr. Solang das Internet schnell genug ist und man sich auf die Zahl sogenannter Freunde im asozialen Hetzwerk befriedigen kann. Nie waren Sklaven genügsamer. Nie waren sie blinder und masochistischer.


Danke, liebes Internet. Endlich begreife ich das Wort "Perversion".