Clevere kunst

Kunst und/oder sich zum Narren zu machen, haben eine lange Tradition. Vielleicht gab es schon in der Steinzeit Faxenmacher, die am Feuerplatz den Stamm unterhielten. Vielleicht gab es schon da die ersten Ramoensäue, und damit verbunden erste Eitelkeiten, sich darauf etwas einzubilden, andere um den Finger zu wickeln. Vielleicht aber auch erste echte Freude, andere zum Lachen oder Weinen zu bringen. 

Heute darf gefragt werden, wieviel Inspiration, Ablenkung oder Entertainment ein Herz wirklich braucht. Was hilft beim Leben, was entfernt davon?

Vielleicht waren erste religiöse Erzählungen lieb gemeinte Märchen, um mystische Begebenheiten zu verdeutlichen. Doch irgendwann wurde daraus Kalkül. Manipulation durch Wort und Bild.

Jedes Bild, jedes Wort, jeder Klang, jede Intention kann auf den Weg führen, oder eben weg von ihm. In die Arme cleverer Strategen. Siehe Werbung, die sich uralte Prinzipien zu eigen machte, um Kunden zu fangen. Auch eine alte Tradition. Marktschreier taten das seit ewigen Zeiten.

Was die Frage aufwirft, wer die sind, die andere Herzen inspirieren oder verfuhren wollen.

Vor vielen Jahren wurde mir bewusst, dass eine essentielle Antriebeskraft der Zweibeiner der Wunsch nach Aufmerksamkeit ist. Auch bekannt als der Wunsch nach Liebe. Aber die braucht es für das hungrige Ego nicht. Applaus oder große Augen reichen meist, um eine Kette von Ereignissen auszulösen.

Ein schönes Beispiel ist Jim Carrey. Was hat ihn wohl getrieben, seine ersten Faxen vor Publikum zu machen? War er das, was man gern als "geborenen Komiker" bezeichnet. Oder war es einfach seine Wahl, um sein Quäntchen Aufmerksamkeit abzugreifen? 

In diesem Spiel haben viele Herzen über Jahrhunderte Unvorstellbares geleistet. Die Antriebsfeder blieb meist verborgen, oder wurde mystisch idealisiert.

Die Prinzipien sind geblieben, doch die Medien haben sich geändert. 

Was früher wirklich begabten Herzen vorbehalten war, darf und jann heute jeder, der einen Finger über einen Monitor wischen kann. Mit fatalen Folgen. Nie war die Welt mit mehr Geschichten, Klängen oder Bildern überflutet gewesen.

Man kann es Vielfalt nennen. Aber es kann auch Verarmung sein, wenn diese Vielfalt nur dazu dient, aufmerksamkeitsgeile Egos zu befriedigen. Was wohl öfter passiert, als wirkliche Wünsche Herzen berühren zu wollen. Geld gilt als Synonym für Erfolg, und Erfolg gibt Recht. Oder? 

Oder findet eine subtile Verzerrung von Werten statt?

Nichts ist dagegen einzuwenden, wenn Künstler getrieben vom Wunsch ihre Ideen umzusetzen, immer tiefer in den Sog der Meisterschaft gezogen werden. Was jedoch, wenn jemand die Technik über die Intention setzt? Ich schrieb einmal, dass Kunst kein Auto sei. Man muss nicht damit fahren können, und darauf vertrauen, dass jede Schraube und Schweißnaht sitzt. Im Gegenteil. Kunst lebt von und mit Fehlern. Scheitern, peinliche Versuche sind Teil der Kunst. Ich weiß das, weil oft mein größtes Scheitern, die größte Wahrheit eingefangen hatte. Dagegen stehen heute Perfektionisten, die angestachelt von rational praktischen Programmen, Pardon, "Apps", glauben, Perfektionismus mache gute Kunst.

Siehe "Harry Potter". Alle Zutaten stimmen, doch wird damit noch lange keine inspirierende Botschaft verkauft.

Es braucht mehr, als nur Zutaten in einen Topf mit kochendem Wasser zu werfen. Was leider eine sehr altmodische Sicht ist. Die Vielfalt des Internetzeitalters macht alles gleichermaßen wertvoll oder wertlos. Sogar eine Meinung zu haben, gilt heute als große Kunst. Und muss nichtmal besonders künstlerisch verpackt werden. 

Wohin führt uns das? 

Joachim Witt hat einmal gesungen:

"Ich hab die ganze Welt gesehen. Im Fernsehen undvsuf Fotografien."

Da ist eine Generation am Start, die glaubt alles zu wissen, weil alle Infos frei verfügbar waren.

Aber kennen sie das Scheitern des Künstlers, der seine Vision nicht einzufangen vermag? Sie feiern sich selbst in ihren digitalen Illusionstunneln, ohne ein einziges Mal gegen eine harte Wand geknallt zu sein.

Wohin führt sie das?

Was werden das für Äffchen, deren Wertschätzung auf Likes und digitale Herzchen aufgebaut ist? Ist das dann genug Aufmerksamkeit für ihre realen Herzen? 

Kann die digitale Welt Liebe transportieren? Sie ist gescheitert Erotik zu transportieren. Es scheint an anderen Stellen ebenso zu versagen. Aber niemand merkts, weil das bunte Flimmern und Piepsen so hypnotisch ist.

Sind wir da?

Hypnose statt Inspiration?