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Sex verloren

Sex verloren

 

Jahr um Jahr folgte ein Orgasmus dem Nächsten. Schön war‘s. Ekstatisch war‘s. Unterhaltsam, meist. Mit jeder Frau, die ich traf, war da auf‘s Neue die Hoffnung, es würde weitergehen. Nicht im Sinne von Routine, Mehr oder Ewigkeit. Im Sinne von Wachstum und Eintauchen in tiefere Ekstasen.

 

Es ging auch stets weiter. Nur völlig anders, als ich es mir ausgemalt hatte.

 

Ich weiß nicht, ob andere Leute einfach besser darin sind, Illusionen aufrecht zu erhalten, sich gegenseitig fröhlich zu belügen, ob sie die gleichen Wirrungen durchkämpfen, aber nach außen hin eine Maske tragen, oder ob es einfach eine Frage der Prioritäten ist, und was jeder angehende Mensch bereit ist, für Bedürfnisbefriedigung zu zahlen.

Ich jedenfalls, möchte nicht länger die fantastischen Ideen von Liebe oder harmonischer Beziehung strapazieren. Oder die altbackenen sexistischen Konstrukte, was „Frau“ oder „Mann“ seien.

 

Je mehr ich erlebte, desto mehr schien mir, dass es nur Metaphern für unterschiedlichste Motivations- oder Abhängigkeitsstrategien waren. Liebe, die aus dem Himmel fiel, oder Seelenverwandschaften, oder wie man es auch nennen wollte, waren nie für die Ewigkeit gedacht.

 

Inzwischen glaube ich, dass nichts aus dem Himmel fällt, sondern wir „es“ machen. Ganz allein. Weil wir inmitten von Banalität etwas erzeugen wollen, was heraus ragt. Das Bedeutung hätte. Das inmitten von Enttäuschungen nicht enttäuscht. Wir lieben nicht, wir verlieben uns nicht, sondern wir machen Liebe und machen Verlieben. Wir haben uns dafür spezifische Auswahlkriterien geschaffen. Was ich „mein Beuteraster“ nenne. Sofern jemand dem entsprach, war ich nur zu gern bereit, wilde Experimente zu wagen, um meine Wünsche und Träume zu bestätigen. Dumm nur, dass ich mir spät bewusst darüber wurde, dass dieses Beuteraster fremdgeprägt war.

 

Diese Fremdprägung war nicht darauf ausgerichtet gewesen, wahre Menschen darzustellen, sondern Produkte zu verkaufen. Weshalb Hollywood auch „Traumfabrik“ genannt wird. Sie verkauft keine psychologischen Profile, keine Wegweiser für erfolgreiche Kommunikation, sondern Illusionen. Ich habe irgendwann erkannt, dass diese Illusionen weder der Wahrheit, noch irgendwelcher Umsetzbarkeit entsprachen. Wie viele Herzen auf dieser Welt haben wohl auch ihre Prägungen abbekommen, und wundern sich noch heute, dass ihre romantischen Ideale nicht aufblühen..? Und noch erschreckender: wie viele Partner haben unbewusst die Rollen in ihrem persönlichen, romantischen Liebesfilm eingenommen, und glauben, ihre Schauspielerei wäre die Wahrheit?

 

Wie ein Besessener stürzte ich mich Mal um mal in abenteuerliche Spiele um Lust und Inspiration,  und wie optimal die Ausgangsvoraussetzungen auch schienen – das Drama lauerte und wartete auf seinen Einsatz. Der grundsätzlich kam, und dann sprang es auf die Bühne, wie Al Pacino, bis zum Anschlag auf Koks.

 

Mit dem Drama kam der Schmerz. Ich verletzte und wurde verletzt. Trotzdem konnte ich es nicht sein lassen, weil da dieses phänomenale Gefühl von Ekstase war, vom Verschmelzen mit dem Universum, wenn es ausnahmsweise einmal passte. Es gab glorreiche Zeiten, in denen es erstaunlich oft passte, was meinen und unseren romantischen Filmen Futter gab. Irgendwann wurde es seltener.

 

Es lag daran, dass ich genauer herausfand, welchen Raum ich eigentlich betreten wollte. Es reichte mir nicht mehr, nur abzuspritzen, zu genießen, wenn eine Frau unter meinen Händen dahinschmolz, zu fühlen, wie sich ein lebendiger, warmer, weicher Körper anfühlte, oder die Illusion meines persönlichen Hollywood-Märchen-Filmes zu leben. All das hatte ich ausreichend oft und intensiv erlebt. Zunehmend wuchs die Bedeutung der Hingabe. Ob es möglich wäre, ob wir es schaffen würden, in den Fluss zu stürzen, und uns in gegenseitiger Hingabe im All wiederzufinden.  Als verschmolzenes Eins. Verbunden in Lust und Ekstase. Ohne die Limitierungen von „Du“ und „Ich“, „Frau“ oder „Mann“.

 

Zugegeben, ein hoher Anspruch. Aber keine Erwartung, wie sie aus dem Wollen entspringt. Vielmehr war es so, dass sich Ekstase in jede Zelle meines Körpers eingenistet hatte, und egal was mir mein geiles Ego einreden wollte – mein Körper spürte, wenn etwas keine Ekstase war. Und noch ein wenig mehr. Ich fühlte, wann wir uns in der Wahrheit befanden, und wann wir uns etwas vormachten.

 

Nicht „ich“ wertete, wann die Schwingung passte. Jedes Molekül in mir wusste, wann etwas hinter den Möglichkeiten zurück blieb. Wenn das Potential nicht ausgeschöpft wurde. Natürlich hätte ich mich auch mit weniger zufrieden geben können, und ich möchte behaupten, dass ich mich bemüht habe. Eben das „Bemühen“ wurde mit Partnerin um Partnerin mehr suspekt. Bist auch du mit dieser Idee geimpft worden, Liebe brauche „Beziehungsarbeit“? War diese Beziehungsarbeit vielleicht nichts weiter als eine geschickte Wortspielerei? Die darüber hinweg täuschen sollte, dass tatsächlich ein wütender Krieg tobte..?

 

Das war in etwa der Zeitpunkt, als ich bemerkte, dass erstaunlich wenig Leute mit dem Wunsch nach Ekstase an die Sache ran gingen. Noch weniger wollten Wahrheit. Vielen ging es beim Sex um Kompensation, Egobefriedigung, Ehepartnersuche, Sport, oder Spannungsabbau. Nicht zu vergessen die Erfüllung von kindlichen Märchenbildern idealer Liebe, mit der wir fast alle groß geworden sind. War ich wirklich so ein sonderbares Alien, wenn ich Lust als Ausweitung meiner bestehenden Freude betrachtete? Wenn ich nicht gewillt war, Sex mit Therapiestunden oder Partnerschafts(familien)fantasien zu verbinden, war ich dann wirklich so far out?

 

Was ich null begreifen konnte: dass die Lust, die ich schenkte, im nächsten Moment als Waffe gegen mich missbraucht wurde, weil ich nicht bereit war, meine Zeit als unbezahlter Therapeut zu vergeuden. Allen Hobbytherapeuten und Patienten zur Warnung:

Jede Sekunde Therapie ist eine Sekunde, die nicht in Ekstase genutzt wird.

 

Nach gefühlten 20000 unbezahlten Therapiestunden fühlte ich mich frei, die sagenumwobene Hilfe von „Beziehungsarbeit“ in Frage zu stellen. Meine Weigerung weiter zu reden oder zuzuhören, weil „Beziehungsarbeit“ keine Lösungen brachte, wurde so ausgelegt, dass ich in meiner Partnerin „nur“ ein Sexobjekt sähe. „Ich bin dir egal? Du siehst mich nur als Sexobjekt? Bäh!“

Da fiel ich öfter als dreimal aus allen Wolken, denn solang ich mich erinnern konnte, hatte ich das angeknackste Selbstbild meiner Partnerinnen aufgebaut, indem ich sie motivierte, an sich zu glauben. Daran, dass sie mehr als Sexobjekte oder Gebärmaschinen sein durften. Dass sie Bedeutung hatten, und für mich allemal. Woher kam also dieses Argument, dass ich sie als Sexobjekt benutzte – zumal sie mir in anderen Situationen bereitwilligst versicherten, dass sie sich von mir wirklich geliebt und wahrgenommen fühlten? War das nur ein Trick? In dem wirkliche Verletzungen dazu herhalten mussten, jede Diskussion im Keim zu ersticken? Um eine Wunde allzeit offen zu halten, damit niemals Ereignisse der Heilung stattfinden können?

 

Es dauerte lang, ehe ich begriff, dass viele meiner Partnerinnen die Kriege ihrer Eltern mit in unser Bett getragen hatten. Und nicht die Absicht hatten, glücklich zu werden. Sie sagten es, aber tatsächlich wollten sie nur eine Ablenkung. Irgendwas, das sie betäubte und die Schmerzen erträglicher machte.

Oder verständliche Aufmerksamkeit. Sex als äußeres Symbol für Beachtung, und der Samenerguss als „Belohnung“, sowohl für sie, als auch für mich; feucht glitschiger Ausdruck von Wert-Ideen und Leistungs-Beweisen.

 

Nach einem denkwürdigen Dreier, den mir meine damalige Liebste geschenkt hatte, und dem anschließenden Eifersuchtsdrama, bekam meine sexuelle Leichtigkeit, die ich über Jahre erlernt hatte, einen mächtigen Riss. Oder soll ich schreiben, dass die Pfeiler, auf denen meine Sexfantasien standen, im Morast kultureller Banalität versanken?

 

Diese kulturelle Banalität hat viel mit Angst zu tun. Verlustangst. Angst nicht genug zu bekommen. Ein Moment, in dem meine damalige Freundin mir schenkte, was sie zuvor von mir selbstverständlich erhalten hatte – mit einem Freund von mir, Spaß zu haben – wurde von ihr als Möglichkeit genutzt, ein paar Dämonen aus dem Sack zu lassen. Für einen kurzen Moment hatte ich tatsächlich gedacht, mit der gemeinsamen Freundin könnte eine tiefere Ebene von Verbundenheit stattfinden. Nein, keine Dreier-Ehe. Einfach nur eine Ebene von Vertrauen, in der auch Sex Platz gehabt hätte. Freundschaft, ohne Ausgrenzung von Sex.

 

Hätte…

 

Stattdessen hagelte es Unterstellungen und Anklagen, die letztlich dazu führten, dass ich etwas erkannte, was ich zuvor nicht hatte sehen wollen. Dass nicht nur meine damalige Freundin, sondern viele Partnerinnen überhaupt nicht wegen der Lust ins Spiel sprangen, sondern um mich via Sex an sie zu binden. Sex als Machtwerkzeug.

 

Eigentlich ein alter Hut. In S/M Kreisen wird ganz selbstverständlich über den Machtmissbrauch durch sexuelle Anziehung geplaudert. Es hat viele Jahre gedauert, ehe ich erkannte, dass ich womöglich für meine sexuelle Begeisterung zu zahlen hatte. Dass meine Partnerinnen meine fremdgeprägte Begeisterung für den weiblichen Körper, für sich gewinnbringend ausgenutzt hatten. Ich will hier keine Absicht unterstellen. Ich glaube vielmehr, dass es das ist, was Zweibeiner generell tun. Sie nutzen die Möglichkeiten. Weshalb sollten Partner ihre körperlichen Attribute nicht gewinnbringend einsetzen? Tat ich ja nicht anders, mit meinen Fähigkeiten Herzen zu motivieren und zu inspirieren. Falsch ist daran nichts. Es wird erst in dem Moment schräg, wenn da Signale sind, etwas in einer Beziehung zu modifizieren, aber man sich auf subtile Abhängigkeits-Strategien eingeschossen hat.

Misstrauen, Verunsicherungen, Ansammlungen von Verletzungen, hatten inzwischen ein Ausmaß angenommen, das Verschmelzungsversuche unmöglich machte.

 

Sex wird fast ausnahmslos personifiziert. Es geht um Äußerlichkeiten, die als Stimulans herhalten sollen. Wie man aussehen muss. Wie man sich verhalten muss. Komödien, die Tragödien in sich bergen, weil es fast nie darum geht, dass sich eigenständige, erwachsene Individuen treffen, um Erfahrungen zu teilen oder zu beobachten. Statt den Fokus auf „es“ zu richten, verlieren wir uns in „du“ und „ich“, Frauenrolle gegen Männerrolle. Krieg.

Wäre es nicht wundervoll einander als Sexobjekte (=Sexkörper) sehen zu dürfen, und neutral zu beobachten, welche Lust-Phänomene stattfinden?

 

Nach meinem letzten Beziehungsexperiment, rutschte ich zum ersten Mal seit Jahrzehnten in den Zustand des Alleinseins. Der sich massiv von meinen Teenagererfahrungen des Alleinseins unterschied. Als Teenager hatte ich mich nach der Erfahrung von Sex und Frau gesehnt. Inzwischen habe ich das reich und tief erlebt, und fühle mich freier. Lockende, verführerische Schönheiten lassen mich nicht mehr den Verstand verlieren. Noch genauer: ich habe eine Eitelkeitsallergie.

 

Sehe ich Weibchen, die mich mit ihren sexuellen Körperattributen locken wollen, bekomme ich alles mögliche – bloß keine Erektion mehr. Es heiß zwar, dass ein gesunder Geist in einem gesunden Körper lebe, und meine ästhetischen Prägungen werde ich wohl mit ins Grab tragen. Nur bedeutet ein gesunder Körper nicht zwangsläufig, dass ein schöner Charakter oder ein liebesfähiges Herz in diesem Körper tanzt. Im Gegenteil. Schönheit ist ein überbewertetes Phänomen in dieser Gesellschaft der Eitlen. Und nach meiner Erfahrung haben es die „Schönen“, die, die dem Versandhauskatalog der idealen Erscheinung entsprechen, nicht nötig durch Höllen des Selbstzweifels zu torkeln. Die Äffen sind dazu geneigt, Schöne zu idealisieren – ohne zu bemerken, dass diese Idealisierung hässlich macht.

 

Heute zählt für mich einzig, ob ich ein Herz vor mir habe. Ob das Herz zu mir spricht. Ob mein gegenüber Tricks anwendet, um Sex zu bekommen, oder Sex zu vermeiden. Ob mein Gegenüber mich sehen und fühlen kann, mich wertschätzen kann, ohne in vergleichende Bewunderung zu fallen. Noch so ein Ding. Es gibt einen Unterschied zwischen Bewunderung und Aufmerksamkeit. Bewunderung ist Egoschleck und Trostpflaster für das verwundete Kind, das mal in mir war. Aufmerksamkeit ist ein natürliches Geschenk zwischen zwei interessierten Herzen. Eben die Aufmerksamkeit, die ehrliche Anteilnahme, die ich geschenkt habe, hatte mich früher interessant gemacht. Weil andere potentielle Partner nur eine lebende Real Sex Doll gesucht haben, und meine Partnerinnen dann doch, aufrechter Anteilnahme den Zuschlag gegeben haben. Aber so richtig kann das nur fruchten, wenn es ein beidseitiges Geschenk ist. Was scheinbar sehr selten ist.

 

Viele scheinen davon auszugehen, dass wir in einer sexualisierten Gesellschaft „das auch mal probieren könnten“. Also, schnell mal bisschen Sex simuliert, Orgasmen gejagt, ausgeweidet und gehäutet, und dann weiter geschaut, wo das geträumte Ideal zu finden wäre.  „If you cant be with the one you love, love the one your with“, die Botschaft aus einem Hippiesong, ist vom Zynismus des 21sten Jahrhunderts längst überrollt worden. Da wird zwar ganz schnell von Liebe gesungen, aber eigentlich ist es eher, wie in dem Marilyn Manson Song: „I don't love you, but I will fuck you, till someone better comes my way.“ Klingt ehrlich, und sogar wie eine Option. Bis du bereit zu erkennen, was es tatsächlich bedeutet? Dass die, die so leben, auf ewig in einer Hölle der Wertungen und Vergleiche leiden?

 

Ich hatte gedacht, Sex würde mich mein ganzes Leben begleiten. Momentan sieht es aus, als hätte ich Sex verloren. Da ist ein Rest Hoffnung (Illusion?), dass mir das Leben jenes einzigartige Ausnahmeherz schicken wird, mit dem tiefere Erfahrungen von Lust möglich würden.

Vorerst fühle ich mich fast „asexuell“. Ich weiß, ich bin es nicht, weil ich offen bin, „es“ wieder zu fühlen. Nur die Preise will ich nicht mehr zahlen. Weder möchte ich die hundertste Frauenrolle davon überzeugen, dass ich anders bin als die meisten Männerrollen, und sie nicht „benutzen“ will, noch möchte ich Beziehungsforderungen erfüllen. Ich will nicht für gelungene Berührungen bezahlt oder belohnt werden. Sowenig ich dafür bezahlen will.

 

Wenn die Rollen von „Frau“ und „Mann“ wegfallen, dann wird es anspruchsvoll. Mir scheint, dass der Konflikt zwischen den Polaritäten eben die Reibung erzeugt, aus der lustvolles Feuer erwachsen kann. Was im Umkehrschluss heißt, dass wir unsere Ekstasen mit Leid bezahlen müssen. Au, aua, autsch.

Um es so richtig ParaTox zu machen. Obwohl es mir einzig um „es“ geht, und „du“ und „ich“ keine Bedeutung haben sollen, im Spiel der Lust, ist die essentielle Grundvoraussetzung für die nächste Verschmelzung geworden, dass „ich“ gemeint bin. Jetzt denkst du vielleicht: „Alter, was is‘n mit dir los? Schreibst nen Roman über loslassen von Personifizierung, und dann willst doch du gemeint sein? Hallo?“

Denke ich auch.

Es ist verzwickt nochmal.

 

Ich meine damit, dass ich das Gefühl haben will, dass mein Gegenüber fühlt, dass die Reise durch die Galaxie für sie, nur mit mir möglich ist. Nicht mit jedem Schwanz, der an der nächsten Ecke lockt, und nicht mit dem berüchtigten Athleten-Tänzer-Superhelden, der dem Märchenprinzen ihrer Klein-Mädchenprägung entspricht, und dem ich weder gerecht werden kann, noch will. Dass sie erkennt, wer und was ich bin. Statt zu projizieren, was ich sein soll, und dann an mir zu schrauben beginnt. Für Experimente im Sinne von: „Ach, den Schwanz nehme ich auch noch mit“, stehe ich nicht mehr zur Verfügung, denn ich weiß, was ich zu geben habe. Ich brauche süße Bestätigung durch ein Weibchen nicht mehr. Sehr wohl jedoch, das Gefühl, dass ein Herz mich sieht. Nicht ein Klischee, keine idealisierte Version von mir, keine romantische Projektion. Mein Herz.

 

Was in einer sexualisierten Gesellschaft sonderbar anmutet. Wo Sex zu etwas geworden ist, was man „mal macht“, um schick und hip zu sein. Um damit in Internetforen anzugeben. Schau mal wie sexy ich bin!  Geht es eigentlich nur mir so, dass ich keinen Sex mehr sehe, wenn da nackte Körper aufeinander klatschen? Weil ich in ihren Augen kein Feuer sehe. Weil ich keine emotionale Anziehung zwischen ihnen erkenne. Weil ich keine Kommunikation aus Berührung zwischen ihnen fühle. Nein, Sex ist heute eben nicht einfach „irgendwas, was man halt macht“.  

 

Im Idealfall ist es ein Werkzeug um Masken und Barrieren wegzuficken. Um einander wirklich erkennen zu können. Im wirklichen, gegenseitigen Erkennen, besteht die Möglichkeit der banalen, schmerzhaften Welt der Materie zu entfliehen, und Dimensionen zu bereisen, die höchstens Psychedelikern oder Meditation-Übenden bekannt sein dürften. Und das ist nicht „mal eben“ zwischen ins Bett gehen und einschlafen, zu erzeugen. Und nicht für die Kamera, und nicht für Geld. Nicht durch Willen. Nicht durch Forderung und Erwartung.

 

In den letzten Zeilen wird vielleicht das Dilemma deutlicher. Obwohl ich keine Erwartungen habe, weiß ich, wann es passt. Es ist in jeder meiner Zellen gespeichert. Ich bin nicht durch die Schmerzen gegangen, um sie wieder und wieder aufzuwärmen. Ich habe Momente des Glücks in mir gespeichert, und Jahre des Scheiterns. Nur weil Hollywood weiter Traumillusionen verkauft, wie Glück zwischen Herzen aussähe, heißt das nicht, dass ich daran weiter glauben müsste.

 

Worum es mir geht, ist das Eintauchen in einen traumähnlichen Zustand der Freiheit. Mit dem Körper den Körper verlassen. Wie schön das sein kann, habe ich einige Male erfahren – und sollte ich es nicht wieder erleben dürfen, dann wäre das schade, aber das Leben schenkt ausreichend Wunder, um diesen Verlust verkraften zu können. Ja, es gibt ein Leben nach dem Sex. Und Überraschungen sowieso.