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Keine große Sache

Eigentlich wäre Liebe keine große Sache. Liebe ist in uns. Gewissermaßen unsere wahre Natur. Wir müssten weder etwas dafür tun, noch uns anstrengen. Wir müssten bloß aufhören, uns selbst im Weg zu stehen. Und da ist das eigentliche Problem. Statt Liebe fließen und geschehen zu lassen, sind verwundete Herzen viel zu beschäftigt damit, sich an ihrer eigenen Schlauheit aufzugeilen. Alles lässt sich rationalisieren, anal-ysieren, messen, werten, vergleichen, be- und veruteilen. Hauptsache, niemand muss die eigene Verletzlichkeit, die eigenen Wunden, oder sogar Hilflosigkeit zugeben. Hauptsache, niemand muss die Unfähigkeit zu lieben eingestehen.

 

Das kann verschiedene Ausdrucksformen haben. Zum Beispiel Kritisieren. Oder das Gegenüber anzweifeln. Leistungen herabwürdigen. Den Fokus einzig auf Handlungen, nicht aber auf unterlassene Handlungen halten. Sich über andere erhöhen. Oder auch einfach Fehler finden, und darauf hemmungslos rumreiten.

 

Es ist ein Zeichen wirklicher Königlichkeit, andere loben zu können, weil das nicht bedeutet, sich unter jemand zu stellen. Anerkennung auszusprechen bedeutet eben nicht, man würde sich jemand unterwerfen. Es ist einfach Ausdruck herzlichen und wahren Reichtums.

Doch wer kann das? Wer traut sich das, in einer Gesellschaft, in der kleine Kinder darauf geprägt wurden, sie müssten Leistung erbringen, und Gesten der Liebe mit Forderungen verknüpft waren?

Wir leben in einer „nicht genug“ und „nicht gut genug“ Gesellschaft.

Ausgerechnet die, die auf diese weise am tiefsten gedemütigt und verletzt wurden, führen diese Tradition weiter. Sie wissen nicht, wie man jemand liebt, ohne Forderungen. Das heben sie sich für Haustiere oder Autos auf.

 

Als wäre das nicht tragisch genug, ist es fast unmöglich darüber zu sprechen. Weil die, die auf dieses Verhalten hinweisen, sich in den Augen verletzter Herzen in böse Mamas oder Papas verwandeln. Man kann auch nicht darüber sprechen, dass man sich durch solches Verhalten verletzt fühlt. Das wird nicht als ehrlicher Gefühlsausdruck wertgeschätzt, sondern als Schwäche verurteilt. Generell wird alles benutzt und versucht, um Distanz zu erzeugen. Oder Schuld zuzuweisen. Alles. Hauptsache man läuft nicht Gefahr, bedingungslos lieben zu müssen...