Mother stands for comfort

Alter, gemessen an Zahlen, grauen Haaren oder Erektionswinkel, ist eine Erfindung von Herzen, die sich ihre eigenen Dummheiten nicht eingestehen können oder wollen. Reife dagegen, ist der unvermeidbare Prozess der Einsicht. Einsicht all jener Herzen, die zur Retrospektive fähig sind. Es ist sehr viel einfacher, sich Gebrechlichkeit und Krankheiten zu attestieren, als neue Sichtweisen zu installieren.

 

Als Kate Bush sang „mother stands for comfort“, war das sowohl Dankbarkeit für die Geschenke liebender Mütter, als auch wunderschöne Romantisierung. Alles hat zwei Seiten, wenigstens, und das gilt ganz besonders für Supermütter.

 

Über meine Mutter gab es so manchen Lobgesang anzustimmen, der dem Song von Kate Bush in nichts nachstand. Weil sie mir Fähigkeiten mitgegeben hatte, die in einer Gesellschaft verletzter Herzen sehr unüblich sind. Dazu gehörten unter anderem gigantisches Urvertrauen und eine gewisse anarchistische Grundeinstellung. Allein diese zwei Aspekte wiegen die paar Schatten auf, wo meine Mutter vergessen hatte, genauer hinzuschauen – wie zum Beispiel ihre Kurzsichtigkeit meine Kurzsichtigkeit betreffend, oder die Installation meiner ersten Drogensucht Zucker.

 

Erst nach Jahren des Experimentierens mit Einfachheit und Freiheit, wurde erkennbar, dass da noch etwas war, was keine Mutter für möglich halten würde. Dass ihre Liebe eine Verzerrung meiner Wahrnehmung erzeugte, die nur durch das Leben selbst aufgelöst werden konnte.

 

Bei aller Liebe, hatte mich meine Mutter auch dazu angehalten, Eigenständigkeit und meine eigene Sicht zu finden. Ihre Liebe verhinderte, dass sie mir gegenüber hart war. Das heißt, sie erlaubte meinem gewitzten Ego, sie im Namen von Bequemlichkeit zu erpressen. Was zum Beispiel dann durchblitzte, wenn sie mir Einkäufe mitbrachte, obwohl ich das gut auch allein gekonnt hätte, oder ich Taschengeld erhielt, ohne dafür einen Gegenwert abzuliefern. Mother stands for comfort. Ihre Liebe war selbstlos und sie erwartete nichts von mir.

 

Was den Kontrast zu realen Welt umso deutlicher macht. Glücklich können sich all die schätzen, die meine Erfahrung machen. Dass überall Herzen sind, die bereit sind, selbstlos zu geben und zu schenken. Grundsätzlich ist das sehr unüblich. Besonders wer wirkliche, echte Freiheit erfahren will, achte auf das Kleingedruckte. Auch in mündlichen Absprachen. Grundsätzlich ist das Leben nicht dafür da, irgendwem den Popo zu tätscheln oder die Schulter zu klopfen. Auch die fette Pizza wächst nicht an Bäumen und fällt nicht in die Hände derer, die unter Pizzabäumen zu schlafen glauben. Es ist auch nicht so, wie bestimmte Kämpfernaturen behaupten, dass einem das Leben nichts schenken würde. Es ist nur leichtfertig zu glauben, das Leben würde einem etwas schenken wollen.

 

Der Komfort, den mir meine Mutter geschenkt hatte war ein Ideal, das seitdem nicht wieder erreicht wurde. Und hier der Grund für diesen Text:

Er war jedoch oft die Basis für unnötige Konflikte mit Partnerinnen. Nicht dass ich von ihnen erwartet hätte, dass sie als Mutterersatz herhalten sollten. Vielmehr war da ein naiver, unschuldiger Wunsch nach Verantwortungslosigkeit.

So, wie in Kindertagen.

So, wie in Zeiten, in denen Mutter alles fern gehalten, oder es versucht hatte, was der Vorstellung einer unbeschwerten Kindheit im Wege stand.

 

Erst als Eremit, erst in der realen Konfrontation mit hundert kleinen Aufgaben, die allein zu bewältigen waren, wurde sichtbar, dass die Komfortzone, von der Esoteriker und Psychologen reden, auf der Liebe von Müttern und Eltern aufgebaut ist. Dass nicht nur in mir ein kleines Kind steckte, das die ansatzweise heile Welt zurück träumte. Es ist, worauf viele Gruppenkonstrukte aufgebaut sind. Gruppen, Clubs, Vereine, sogar die unbeliebten Arbeitsverhältnisse, und besonders Ehen und Beziehungen, tragen in sich oft versteckte Wünsche. Wünsche einer Rückkehr in selige Kindheitstage, als noch gespielt werden durfte, und keine Drohung von Lebensstrafen im Raum stand.

 

Aber sind diese Lebenshinweise tatsächlich Strafen, oder wollen wir sie so sehen, weil sie unbequem sind? Weil das Leben uns auffordert, unser eigenes Wachstum auf die uns eigene weise zu fördern?

Wer nimmt sich dabei die Zeit, auch mal zu überprüfen, welche Rolle die Grausamkeit darin spielt?

 

Wer ist bereit, das Tier, das gerne gegessen wird, auch selbst zu schlachten und auszunehmen? Wer ist bereit, die schmutzige Arbeit, die an schlecht bezahlte Dienstleiter abgegeben wird, auf die eigenen Schultern zu legen? Wer ist bereit die wundervollen Geschenke der Bequemlichkeit aus Kindheitstagen, dankbar zu verabschieden, ohne in Kampfkrampf zu verfallen?