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Die Straße, die uns wählt

In Zeiten totaler Verfügbarkeit und digitaler Übersättigung, wird gerne so getan, als könnten wir alles sein, was wir nur wollen, wenn wir genug wollen.

Dabei wird gerne übersehen, dass jede Entscheidung Konsequenzen hat.

 Das geliebte „Auch“ wird vom Leben gern ersatzlos gestrichen, ist erstmal ein Weg oder Raum betreten.

Der große Lebenssupermarkt, die unendlichen Chancen und Möglichkeiten, werden begrenzt, sobald einer Idee der einzige Wahrheitsgehalt gegeben wird.

Es ist eben nicht so, dass sich jede Idee mit jeder Idee verträgt. Manche Idee ist bindend, so wie andere Ideen befreien. Manchmal ist es auf Zeit, manchmal bestimmt es das ganze Leben.

 

Ein Leben auszulöschen ist ebenso eine unwiderrufliche Entscheidung, wie ein Leben in die Welt zu rufen. So wie mancher Mord im Affekt geschieht, ist manche Zeugung nichts als eine Laune. Es ist nicht völlig absurd, wenn da von einem Trick der Natur gesprochen wird. Wut und Schönheit sind Phänomene, die uns locken und blenden.

 

Haben wir eine Wahl?

 

Manchmal scheint es, als könnte ein Bruchteil eines Augenblicks darüber entscheiden welche Farbe der Rest eines Lebens hat. Dann stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass ein solch winziger Moment alles erschaffen oder alles zerstören kann. Ist es wirklich ein winziger Augenblick, oder bereiten wir uns unbewusst oft jahrelang auf einen einzigen Augenblick vor? Was ist das für eine Vorbereitung? Wer bestimmt diesen Augenblick?

 

Das Konzept von „Gott“, als die einzig lenkende Kraft hat eine fast kindlich naive Grundsubstanz – doch je magischer der Lebensweg wird, desto deutlicher wird ein tieferer Sinn in und hinter allem. Was die großartige Idee von Freiheit ziemlich begrenzt. Als hätten wir nur genau so viel Freiheit, wie uns Möglichkeiten auf den Weg mitgegeben werden.

 

Um das ParaTox komplett zu machen, ist kaum etwas, was es zu sein scheint. Der schöne Schein, verwandelt sich in Schmerz, und was uns als qualvoll und unbequem erscheint, birgt in sich oft Glück und Licht. Woraus sich jedoch keine Regel ableiten lässt. Wollen wir das Gegenteil wählen, von dem was uns richtig erscheint, um dem Schicksal eins auszuwischen, wird das von göttlichen Karmabeamten bemerkt, notiert, und bei unpassender Gelegenheit gegen uns gewandt.

Schicksal ohne Schicksal. Moral ohne Moral.

 

Mit zunehmendem Alter, während die körperliche Hülle langsam zerfällt, wird das eigentliche Mysterium des Seins deutlicher erkennbar. Erklärungen werden weniger wichtig als Demut. Wissen weniger wichtig als Dankbarkeit. Kontrolle weniger wichtig als Vertrauen.

 

Sofern man sich aus einer Laune heraus, in einem unbedachten Moment, das Leben nicht verbaut hat, besteht zunehmend die Freiheit, das Leben die Entscheidungen treffen zu lassen. Frei ist, wer den Ruf des Lebens erlauben kann. Wer sich führen lassen kann. Wer den Raum hat, sich hinzugeben, an das, was gewollt wird. Was meist extrem verwirrend, und mindestens so herausfordernd sein kann, aber alles in sich birgt, was das Leben in seinen besten Augenblicken verspricht. Glücklich ist, wer erlauben kann, dass die Straße wählt, wer auf ihr geht.

 

(Vigor Calma, Italien, 2020)