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Nichts mehr wissen

 

Wissen zu wollen und glauben zu wissen sind zwei verschiedene Phänomene.

 

Wissen zu wollen und glauben zu wissen sind zwei verschiedene Phänomene.

 

In fast allen Ausdrucksformen von Kunst, sind Dinge zu hören, zu sehen oder zu spüren, die bekannt erscheinen. Sie erscheinen oft so bekannt, weil sie geglaubt werden wollen. Weil sie sich schön, aufbauend, wahr, oder auch nur gefällig anfühlen.

 

Es mag Herzen geben, die Wahrheit anstreben, und die Auswahl ihrer Musik, Bücher, Filme, Bilder oder sonstiger Inspirationen, nach einem vagen Gefühl von Aufrichtigkeit treffen. Das ist vielleicht lobenswert, sagt jedoch wenig über Kunst und Künstler aus. Überwiegend machen sich Künstler gerne zu Projektionsfiguren für aufgeregte Verliebtheiten von Fans. Dabei verlieben sich selten in die Person, sondern vielmehr in das, was sie glauben, was die Person repräsentiert. Erstaunlicherweise ändert es wenig am Phänomen, ob die Künstler sich weigern oder damit spielen, Projektionsfläche zu sein. Es scheint unsere „menschliche“ Natur zu sein, irgendwelche Träger von Ideen schamlos zu erhöhen und anzubeten. Egal ob Popstars, Autoren, Philosophen, Priester, Freiheitskämpfer oder Diktatoren. Es scheint völlig auszureichen, dass jemand laut genug eine Idee vertritt, oder geschickt Aufmerksamkeit erzeugt, notfalls mit Tricks, die Staunen erzeugen, und schon ist ein neues Idol geboren.

 

Es spielt dabei keine wirkliche Rolle, welche Absichten ein Idol verfolgt. Es reicht die Anzahl derer, die ein Idol verfolgen, um der Idee eines Idols Durchschlagskraft zu geben. Es scheint, die eigentliche Aufgabe von Idolen, ist, sich zum Brennpunkt von Licht zu machen. Energie in sich zu ziehen, um heller zu strahlen, damit Anhänger in diesem Licht die Illusion von Sehen genießen können.

 

Das mit dem Sehen ist eine spezielle Sache, im Leben der Zweibeiner. Wir sehen meist überhaupt nichts, wenn wir es nicht selbst erfahren. Wir können Jahre studieren, und dennoch nie den Phänomenen auf den Grund gehen, solange wir die Phänomene nicht über uns herein brechen lassen. Das ist, was gemeinhin als „Papier ist geduldig“ bezeichnet wird. Worte lassen sich einfach aneinander reihen, und schnell ist eine schlaue Weisheit, etwas, das wie Poesie klingt, ein bewegendes Bild, ein aufwühlender Film geschaffen.

 

All die, die jemals von Liebe sangen... Wussten sie, wovon sie sangen? Wer hat dies wilde Tier jemals so tief erfahren, um wirklich davon singen, schreiben oder sprechen zu können? Seit Jahrhunderten, und vermehrt im letzten Jahrhundert, gab es Unmengen an Künstlern, die mehr oder weniger ernstzunehmend versuchten, das Unmögliche auszudrücken. Wer nun glaubt, die, die den größten Erfolg hatten, hätten es am Besten geschafft, irrt. Meist sind eben die Figuren, die am hilflosesten scheiterten und scheitern, genau die, die es schaffen, einen winzigen Funken der unaussprechlichen Wahrheit einzufangen.

 

Es ist mitfühlbar, dass Kinder und Teenager Idole wünschen und brauchen. Irgendwelche Wegeweiser durch den Lebensdschungel. So konsumieren sie gierig alles, was der Markt hergibt, und glauben nicht selten, sie hätten eine nährende Quelle gefunden. Ohne zu bedenken, dass auch die Größten der Großen, bestenfalls nur eine Ahnung einer Ahnung von Wahrheit kennen.

 

Schnell ist ein gefälliger Reim gefunden, der sich wie hilfreiche Wahrheit anfühlt, Wie Licht im Dunkel. Wie der liebende Rat eines Freundes.

 

Nur eines darf allen Konsumenten von Weisheit zu denken geben. Wären diese Weisheiten adaptierbar, müssten die Herzen überall auf der Erde in Harmonie leben. Tatsächlich schaffen es so genannte „Kulturen“ meist nur, totale Zerstörung haarscharf zu vermeiden. All die gut gemeinten Hinweise schaffen vor allem eine Hoffnung, ein klein wenig mehr zu versuchen, als Andere in Angst, Wut, Hass und Hilflosigkeit zu vernichten. Einen Schlüssel zur Liebe stellen unsere heiß geliebten Popsongs, Liebesfilme, Lovestories und Blümchenbilder nicht dar. Kein Kunstwerk, keine Ansprache, keine Weisheit, nichts was Herzen jemals ausdrückten, ist dazu geeignet, wie lebensspendender Saft einer Orange aufgesaugt und verdaut zu werden.

 

Liebe kommt in unsere Herzen, durch lebenslange Lebenserfahrung. Kein Ausdruck – kreativ oder destruktiv – eines Herzens, kann die Erfahrung für ein anderes Herz vorweg nehmen. Es mag Hoffnung und Träume installieren, doch das ist nur ein hilfloser Versuch, eine Basis für Hoffnungen und Träume zu erzeugen. Letztlich ist das, was wir tief in uns wagen zu wünschen, die einzige Instanz, die Liebe fühlbar macht.

 

Was bedeutet das, für all die schönen Künste, die uns angeblich vom Tier unterscheiden? Können sie jemals etwas anderes sein, als netter, eitler Zeitvertreib. Ablenkung von der eigenen Erfahrung? Wie wollen wir jemals wissen was ist, wenn wir es anderen überlassen, das Leben in leicht verdauliche Portionen zu packen? Wer das nächste Mal bei einem Film, Buch, Bild, Buch, bei einer Ansprache, einer Predigt aufgewühlt berührt sein will, frage sich:

 

„Was hilft mir das gerade? Ist das Phänomen, das gerade wahrgenommen wird, eine eigene Erfahrung, oder Beobachtung von Informationen aus zweiter Hand?“

 

...und wenn die Liebe nur direkt erfahrbar ist – warum liest Du dies?

 

Und warum sind diese Zeilen geschrieben?