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Wo wenige hin wollen

Es gehen Legenden und Mythen um, wie gut und erstrebenswert Erfolg wäre. Gleichzeitig scheint Erfolg generell unschöne Begleiterscheinungen zu haben. Zum Beispiel, dass die, die Erfolg haben, auch meist die sind, die ihn am Wenigsten genießen können. Es scheint eine Art Naturgesetz zu sein, das die Erfolgreichsten die größten Sklaven der Begleiterscheinungen des Erfolges sind.

 

Da sind Herzen, die hatten Glück, oder haben „hart für ihren Erfolg gearbeitet“ (eine Formulierung, die in sich schon den Grauen des Erfolges trägt), und von dem Augenblick, da Wünsche scheinbar in Erfüllung gingen, waren sie nicht mehr die Meister ihres Erfolges.

 

Kann es sein, dass ein Großteil der Idee des Erfolges darauf aufgebaut ist, was andere davon haben oder denken?

 

Wer genau hinschaut, kann in den Erfolgsgeschichten so genannter Stars erstaunlich viel Drama, Frust und Zwang herauslesen. Es gibt tausende Magazine, die sich vor allem darüber verkaufen, dass sie Stars als „Menschen, wie du und ich“ darstellen. Denen weder Ruhm noch Reichtum helfen, wenn es darum geht, zufrieden zu sein. Erfolg und Frieden scheinen nicht zwangsläufig zusammen zu gehören. So wenig, wie Erfolg und Freiheit.

 

Wer Glück, Frieden oder Freiheit auf die Lebenswunschliste geschrieben hat, ist gut beraten, vorsichtig zu sein. Genau darauf zu achten, wann und wo das Leben sich in etwas verwandeln soll, was nur in Hollywoodfilmen gut aussieht.

 

Es gibt diese dummen Sprüche, „wer A sagt, müsse auch B sagen“ oder „mitgefangen, mitgehangen“. Die gut auf Abhängigkeiten im Erfolgskarussell zutreffen. Es gibt nur wenige Dinge, an denen sich Zweibeiner nicht beteiligen wollen. Wo sie sich freiwillig raus halten und nicht ihre Vampirzähne reinschlagen wollen. Zum Beispiel Krankheit, Hässlichkeit, Naturkatastrophen, oder Armut. Gefragt sind Gesundheit, Schönheit, Prestige, Palmenstrände in der Sonne und glitzernder Reichtum. Das ist eine komische Sache, weil keiner der Begriffe wirklich das in sich birgt, was gemeinhin damit verbunden wird. Nicht dass es erstrebenswert wäre, krank, hässlich, oder arm zu sein. Oder in einem zerfallen Haus in einem Erdbebengebiet zu wohnen. Nur scheinen diese Zustände erstaunlich viel eigene, freie Lebenserfahrung (Improvisation) in sich zu bergen. Wogegen die erstrebenswerten Ziele, weder all zu viel Freiraum auf dem Weg dorthin haben, noch Freiraum lassen, wenn das Ziel erreicht wurde. Erfolgreiche Musiker sind angehalten, immer weiter zu Produzieren. Erfolgreiche Schauspieler sind angehalten, nur noch gut Rollen zu finden. Wer Reichtum erreicht hat, ist gezwungen, diesen Reichtum auch auszudrücken in äußeren Statussymbolen. Das trifft auf alle denkbaren Bereiche des Erfolges zu. Sogar die mächtigsten Diktatoren waren und sind Sklaven ihrer Lebensentscheidungen. Waren und sind sie dafür berühmt, wie glücklich sie waren? Wie viel Freude sie gelebt hätten?

 

Oder ging es nicht vielmehr darum, was andere von ihnen dachten, oder von ihnen hatten? Und steckt nicht genau da, der eine Aspekt des Erfolges, wo ein fühlendes, lebendiges Herz innehalten und genau hinfühlen sollte? Sind nicht im Bezug auf Erfolg die meisten Herzen hilflose Zauberlehrlinge, die nicht in der Lage sind, die Geister, die sie riefen, zu kontrollieren oder wieder los zu werden?

 

Ist es wirklich so, dass wer A sagt, auch B sagen muss? Wer Erfolg haben will ist schnell in den Abhängigkeiten der Gefälligkeitsbank verstrickt. „Gefälligkeitsbank“ ist ein beschönigender Begriff für Vampirismus. Vampirismus ist keineswegs eine Erfindung der Zweibeiner. Es ist ein Prinzip der Natur. Da sind überall kleine, aufdringliche Schmarotzer, die sich von der Energie anderer ernähren. Wer irgendwelche Blutegel an sich findet, wird meist sehen, dass sie nicht eingeladen waren, und nicht um Erlaubnis gefragt hatten. Vampire fragen nicht. Sie finden clevere Wege, sich unbemerkt an Arterien zu setzen, wo sie ihren Teil des Blutstroms abzweigen können.

 

In Erfolgslegenden wird das zu einer Form des „Miteinander Teilens“ glorifiziert. Die Wahrheit ist eher, dass Vampire sich in Positionen begeben, wo sie Wegezoll einfordern können. Mit welchem Recht? Bevorzugt mit Legenden, sie hätten etwas, was andere bräuchten. Weshalb Vampire wenig mehr fürchten, als Herzen, die nichts brauchen oder wollen. Zufriedenheit ist für Vampire Knoblauch und Kreuz. Sie rennen kreischend davon, wenn jemand nicht mit den Vorzügen des Erfolges, Ruhmes, oder Reichtums zu ködern ist. Das sind Wenige. Denn die Legenden des Erfolges sind die große, schillernde Fatamorgana, der fast alle Herzen hinterher rennen. Erfolg als Surrogat für Liebe. Unglückliche, unzufriedene Herzen (ohne Möglichkeit zu lieben oder das Gefühl, geliebt zu werden) sind gute Sklaven. Solang Legenden des Ruhmes und Erfolges bestehen, wird es auch neuen Nachschub an Sklaven geben.

 

All denen, die frei und glücklich leben wollen, sei geraten, dahin zu gehen, wo niemand sonst hin will. Vampire sind keine Pioniere. Pioniere berufen sich nicht auf andere. Pioniere gehen ihren weg, nicht um der Bewunderung oder Bezahlung wegen. Sie haben ihre eigene Quest. Eine Aufgabe, die größer ist, als geschriebenen Legenden.