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Parallelwelt

Auch wenn durch menschgeschaffene Medien wie Bücher, Filme, Musik oder Internet Wahrheiten transportiert werden können, heißt das noch lange nicht, dass diese Wahrheiten gleich interpretiert werden.

So wie Kunst im Auge des Betrachters entsteht, ist Wahrheit ein individuell erfahrenes Phänomen.

Medien, genau wie Sprache, können einen winzigen Teilaspekt von Wahrheit einfangen.

Wenn.

Kunst scheint dann von Wert zu sein, wenn es einem Künstler gelingt, einen Hauch Wahrheit einzufangen.

Das erkennen zu können, heißt nicht, die ganze Wahrheit zu erkennen.

Wahrheit ist ein flüchtiges, ungreif- und unmessbares Phänomen.

 

In bestimmten Zeiten finden sich unter Zweibeinern erstaunlich viele Propheten, die glauben wollen, im Besitz „der ganzen Wahrheit“ zu sein.

 

Oft auch damit verbunden, dass die individuell erkannte Wahrheit mit Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit, und einer gewissen moralischen Überlegenheit verknüpft wird.

Vorsicht ist an dieser Stelle ratsam, denn es besteht große Wahrscheinlichkeit, dass die eigene Wahrheit auf kreativen Ideen aufgebaut sind.

Je logischer, desto wahr.

 

Gerne tun sich auch Gläubige einer bestimmten Wahrheits-Idee zusammen, um andere zu missionieren, zu belehren, und bei Uneinsichtigkeit zu zerstören.

Ohne zu bemerken, dass niemand jemals genug Informationen sammeln oder auswerten könnte, um sich tatsächlich ein Urteil anmaßen zu dürfen.

(Weshalb ein faires Gericht nicht nur aus einem Richter besteht.)

 

Im Idealfall gibt es eine Annäherung an eine Wahrheit, und einen gemeinsamen Konsens, mit dem sich etwas schaffen, bewegen, erreichen oder bewahren lässt.

Viel häufiger bewegen sich Zweibeiner auf schwammig sumpfigen Boden hypnotischer Wahrheitssimulation.

 

Spätestens seit der Erfindung elektronischer Medien, befinden sich Zweibeiner in einem Zustand fast permanenter Simulation, die um so wahrer erscheint, je mehr sie konsumiert wird, und je einfacher sie konsumiert werden kann.

Knopfdruck genügt.

Ohne, dass sich viele vor Aktivierung der Realitäts-Simulation bewusst machen, dass es sich hierbei um einen elektronischen Spiegel des eigenen Selbst handelt.

Das Internet, aber auch Filme, Bücher, alle Formen von Informationen, sind oder schaffen Parallelwelten.

Sie sind gerade deshalb so populär, weil sie anders als die körperliche Realität, eine schmerzfreie Welt zum Träumen oder Gruseln bieten.

Egal in welche elektronische Parallelwelt man sich begibt, egal wie bedrohlich, ekstatisch, oder langweilig sie ein mag – sie wird nie weh tun.

 

Um aus den Wahrheitssimulationen eine brauchbare Erfahrung zu machen, wäre der Konsument aufgefordert, sich aus der Simulation in die wahre Welt zu begeben, von der auch nicht 100% gewährleistet ist, dass sie so ganz und gar wahr ist.

(Siehe Zen-Buddhisten und ihre gewagte These, dass alles Illusion sei).

 

Wirklich problematisch wird es, wenn Rückschlüsse, die aus der Parallelwelt gezogen werden, auf die materielle Realität übertragen werden sollen.

Da erhitzt sich manches Herz an einer Idee aus der virtuellen Welt, glaubt es wäre „die Wahrheit“, und will in der materiellen Welt einen Krieg anzetteln.

Oder jemand findet Regenbögen und Einhörnchen in der virtuellen Welt, glaubt, es wäre „die Wahrheit“, und pikst sich dann an den Dornen in der Natur der materiellen Welt.

 

Das Bindeglied und der Kleister zwischen Simulation, Idee, Wahrheit und Leben, ist jedes Individuum selbst. Das heißt im Detail, dass die viel besungene Wahrheit kein (!) frei schwebendes Phänomen irgendwo zwischen den Dimensionen ist, sondern solange eine Fantasy im Hirn der Träumer/Denker bleibt, bis der Träumer/Denker die Wahrheit manifestiert.

 

Darin Ähnelt Wahrheit einem Kunstwerk.

Ganz ohne Frage sind viele Herzen kreativ und haben spektakuläre Ideen. Zur Kunst werden diese erst, wenn sie materiell in die Welt geboren werden.

Pixel sind ganz miese Gefäße für Wahrheit.

Mach dir das bewusst, liebes Lesewesen, bevor du das nächste mal glauben willst, was über den Monitor flimmert. 

Beobachte wie du angebotene Phänomene interpretierst - und ob das im Einklang mit Vertrauen und Liebe ist.