Weil es da ist

 

Neben mir steht mein Frühstück Ein Salat. Ein einfacher Salat, bestehend aus Gurke, Karotte, Dill, noch anderem Grünzeug und Sonnenblumenkernen. Etwas gewürzt, bisschen Öl, und fertig. Das ist alles was ich brauche. Seit Monaten. Schmeckt brutal lecker, kostet fast nichts, und soll auch noch gesund sein – was für mich der Begleiteffekt ist, nicht der ausschlaggebende Punkt.

 

Generell ist meine Ernährung, genau wie mein Leben, sehr einfach geworden. Es gibt dafür allerhand Bezeichnungen, wie man das nennen kann, die ich jedoch nicht länger benutzen will. Schlicht ist völlig ausreichend.

 

Eben, als ich meine grüne Salatschüssel ansah, fragte ich mich, warum ich so viele Jahre in der großen Stadt, aber auch als Kind und Teenager auf dem Dorf, so unsägliche Dinge zu mir genommen hatte, die so überhaupt keinen Nährwert haben. Die Antwort, die mir zuflog war erschreckend einfach: weil es da war.

 

Je ungesünder, leerer, und überflüssiger etwas war, desto bunter, lauter, und aufdringlicher wurde damit nach mir geworfen. Eigentlich war jedes Verlassen des Hauses ein Spießrutenlauf durch geballte Idiotie. Sie war einfach überall. Ob im Supermarkt oder auf der Straße. Wenn man dem entkommen wollte, blieb einem nur die Flucht in die Natur. Sogar Zuhause wurde ich mit Manipulationen zugeschossen. In Form elektronischer Schleusen, mit denen alle Absurdität der EgoÄffchen ins sonst sorgsam geschützte Heim strömen durfte.

 

Da wurde nicht groß nach der Richtigkeit gefragt. Es war, was alle taten. Alle konsumierten TV und Radio, wo sie dann erfuhren, was sie zu konsumieren hätten. Alle schufteten sich den Arsch ab, um Geld zu verdienen, um zu kaufen, was sie kaufen sollten, um dazu zu gehören. Obwohl Individualität so einen hohen Stellenwert in der westlichen Erziehung genoss, wurde gleichzeitig Konformismus gefordert. Es gab etwas wie einen „Wettkampf des Konsums“, in dem sich alle versuchten zu übertrumpfen, das Tollste, Teuerste, Wichtigste zu besitzen.

 

Wer es hatte, prahlte, wer nicht, neidete.

 

Es sah für die, die in anderen, angeblich „ärmeren“ Ländern aufwuchsen, wie Reichtum aus. Volle Regale wirkten beeindruckend für die, die sie nicht kannten, und waren selbstverständlich für die, die damit groß wurden. Nach dem Sinn von 30 Sorten Joghurt wurde nicht gefragt. Wer es wagte, stempelte sich zum Sonderling.

 

Es scheint eine völlig natürliche Eigenschaft von Lebewesen zu sein, dass sie nehmen und nutzen, was angeboten wird. Das kann ich auch der Natur beobachten. Wir müssen nicht danach fragen, warum wir nach etwas greifen – es reicht, dass das „etwas“ da ist. Oder wie die Bergsteiger ihre Sucht nach Gipfelstürmen erklären: „Ich besteige ihn, weil er da ist“.

 

Eine ganz andere Sache ist es natürlich, wenn das von cleveren Strategen ausgenutzt wird, und Bedürfnisse geschaffen werden, wo eigentlich keine sind...

 

Ein Zeichen von Reife wäre, zu hinterfragen, ob das, was da ist, auch das ist, was ich brauche. Heute staune ich, wie wenig ich brauche, und das von dem Wenigen noch immer ein Gefühl von Reichtum ausgeht. Und dass alles was ich loslasse, Ideen schafft, was ich noch alles loslassen kann.

 

Mein schlichter Frühstückssalat, würde manchen kulinarischen Kennern kaum ein Naserümpfen abgewinnen können, aber seit ich weitgehend von Geschmacksverstärkern und Essens-Special-FX entwöhnt bin, fühle ich mich dankbar, diese köstlichen Gaben genießen zu können,. Interessanterweise sind diese Gaben auch einfach da. Wer in der Natur oder Naturnähe wohnt, wird staunen, wie reich uns die Natur beschenkt. Wenn wir dafür offen sind, und nicht blind auf sie einschlagen, weil wir eitel nur das genießen können, was wir „hart erarbeitet“ zu haben glauben.

 

Inzwischen habe ich ein gesundes Misstrauen in mir installiert, wenn irgendwas arg laut und bunt nach mir schreit. Meist ist da nicht so viel dahinter. Wogegen mein Spürsinn für Unscheinbare und leicht Übersehbare geschärft ist.

 

Und der Salat war wiedermal… LECKER!

 



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